»Robinson soll nicht sterben« – MainEcho 05. Dezember 2006

Das erste abendfüllende Stück

Die »Kultburgkids« des Alzenauer Theatervereins mit »Robinson soll nicht sterben«

Alzenau. Mit »Robinson soll nicht sterben« von Friedrich Forster hatten sich die »Kultburgkids«, die Kindergruppe des Alzenauer Theatervereins, am Weihnachtsmarktwochenende einen Klassiker der Jugendliteratur vorgenommen.

»Robinson soll nicht sterben« ist das wohl bekannteste Buch von Friedrich Forster: Hinter diesem Pseudonym verbirgt sich der Schriftsteller, Schauspieler und Dramaturg Waldfried Burggraf (1895 bis 1958). Die Geschichte handelt von einer Gruppe Kinder, denen zu Hause Schläge drohen, als einer von ihnen Mister Pum, einem persönlichen Freund des Königs, beim Robinson-Crusoe-Spielen einen Pfeil in die Wade schießt. Die fünf Jungen brennen durch und wollen auf die Insel flüchten, auf der Robinson Crusoe angeblich gelebt hat.

 

Doch nicht ohne Sklavin, denn jemand muss schließlich putzen, waschen und kochen. Und so fangen sie die kleine Maud, die jedoch eine Freundin von Daniel Defoe, dem Autoren des Romans »Robinson Crusoe« ist. Der verarmte Mann ist ganz unglücklich, weil sein versoffener Sohn Tom ihm das Originalmanuskript von Robinson Crusoe gestohlen hat um es zu Geld zu machen.

Natürlich wollen die Kinder dem Autoren ihres Romanhelden helfen, und mit dem Ruf »Robinson soll nicht sterben«, gelingt es ihnen tatsächlich, Tom Defoe in einer verruchten Kneipe zu fangen und bis
vor den König zu schleppen. Und dieser hilft dann schließlich allen, verschafft Daniel Defoe einen gesicherten Lebensabend, seinem Sohn Tom Gelegenheit zur Reue und bewahrt die Kinder vor den ihnen drohenden Schlägen.

Erstmals spielten die 16 Schüler zwischen 10 und 14 Jahren mit 90 Minuten Länge ein abendfüllendes Stück. Mit dem langen Text hatten die Kinder dann doch einige Probleme, schauspielerisch hingegen konnten sie mit ihrem Talent brillieren Das gilt nicht nur für Hauptrollen, sondern auch für kleine Nebenrollen. Es war wohl die bisher professionellste Inszenierung der Gruppe, die seit Sommer 2002 existiert.

Für immerhin fünf Kinder war es sogar ihr erster öffentlicher Auftritt. Dennoch hatten alle unter der Regie von Gertrud Englert-Schauer und Stefka Huelsz-Träger ihre Rollen im Griff.

Wie Gertrud Englert-Schauer bei der Begrüßung betonte, wurde mit der Aufführung im Lokal »Schwanen« eine alte Tradition fortgeführt. Früher hatte jede Gaststätte in Alzenau noch einen Saal mit Bühne für derartige Veranstaltungen – jetzt sei die Bühne im Schwanen die letzte ihrer Art. Ihr Dank galt daher der Gastwirtsfamilie Sittinger für die Überlassung des Raumes sowie dem Obst- und Gartenbauverein, der die Kulissen zur Verfügung und extra aufgestellt hatte.

Bericht zur Jahreshauptversammlung – MainEcho 17. November 2006

Pressebericht zur Jahreshauptversammlung

Dichtes Programm
Theaterverein Kultburg plant 2007 fünf Inszenierungen

Alzenau. Mindestens fünf Inszenierungen plant der Theaterverein Kultburg im kommenden Jahr. Dies wurde bei der Hauptversammlung am Dienstag deutlich. Hinzu kommen noch einige andere Veranstaltungen. Dabei war der Verein schon im vergangenen Jahr nicht untätig. Sieben Stücke wurden im Zeitraum eines Jahres gespielt, so viele wie noch nie zuvor, sagte Vorsitzender Josef Pömmerl in seinem Bericht. Der Vorsitzende regte aber an, künftig wieder mehr interne Aktionen zu starten, um den Zusammenhalt im Verein zu stärken.

 

Aus diesem Grunde wurde auch beschlossen, bei den Burgfestspielen 2007 nur zwei Stücke anzubieten: ein Kinderstück im oberen Burghof und ein großes Abendstück im unteren Burghof. Zwar bestehe von Seiten der Stadt Alzenau die Forderung, drei Stücke zu spielen, doch sah die Versammlung es als vernünftiger an, die Kräfte zu bündeln. Dies auch gerade im Hinblick auf den hohen Erwartungsdruck, der von Seiten der Stadt aufgebaut wird. Als Abendstück wurde »Die Komödie der Irrungen« von William Shakespeare vorgeschlagen; Regie wird Josef Pömmerl übernehmen. Das Kinderstück wird wieder Stefka Huelsz-Träger inszenieren.

Stammregisseurin Uschi Jebe steht im Sommer nicht zur Verfügung, da sie ein internationales Theaterprojekt am Spessart-Gymnasium leiten wird. Sie möchte aber 2007 wieder für die Zeit zwischen den Jahren ein Stück anbieten. Uwe Schramm will im Herbst 2007 »Schweig Bub« von Fitzgerald Kusz inszenieren und plant dabei eventuell eine Wiederaufnahme des Stückes »Letzter Wille« des gleichen Autors. Josef Pömmerl hat ebenfalls zwei Stücke in Planung, die für das Frühjahr 2007 (»Misery« von Stephen King) und 2008 vorgesehen sind. Szenische Burgführungen sind am 6. und 7. Mai sowie 6. und 7. Oktober.

Die nächste Veranstaltung wird jedoch die Kindergruppe des Vereins bestreiten. Zum Alzenauer Weihnachtsmarkt vom 1. bis 3. Dezember werden die Kinder täglich um 18.30 Uhr im Saal des Gasthauses »Zum Schwanen« das Stück »Robinson darf nicht sterben« aufführen. Am Samstag, 9. Dezember, um 19 Uhr ist im Rittersaal der Burg Alzenau eine Lesung mit Gedichten von Heinrich Heine. Alexander Finkel aus Weimar wird sein Programm »Sehnsucht, Spott und Poesie« zum 150. Todestag Heines präsentieren. Eine weitere Lesung mit Gedichten ist für Anfang 2007 geplant. Zum ersten Mal mit einem Soloprogramm ins Licht der Öffentlichkeit tritt der Kultburg-Chor bei einem Konzert am 25. Februar im Michelbacher Schlößchen. Neben einigen Liedern aus den Inszenierungen»1,2,3« und »Die drei Musketiere« wird Chorleiter Jürgen Wahl dafür eigens Stücke einstudieren. Die Kindergruppe wird die Lieder szenisch umsetzen. Ein Benefiz-Konzert mit einer Mittelalter-Band ist für Freitag, 5. Mai, in der Burg Alzenau vorgesehen.

Bei Wahlen wurden Vorsitzender Josef Pömmerl, Kassiererin Andrea Munder und Schriftführerin Dr. Heike Bösebeck bestätigt. 2. Vorsitzende ist Sandra Majewski, die Anni Christ-Dahm in diesem Amt
ablöst. Die Vertreter der Jugend- und Kindergruppe im Vorstand, Florian Zimmer und Stefka Huelsz-Träger, wurden ebenso bestätigt wie die Kassenprüfer Klaus Kolb und Katharina Wilz.

Intern plant der Verein vor Weihnachten einen Ausflug zum Christkindlsmarkt nach Nürnberg sowie zu Jahresbeginn einen Besuch der Ausstellung »Picasso und das Theater« in Frankfurt. Zudem sind drei Seminare vorgesehen: Neben allgemeinem Theaterspiel noch zu den Themen »Clownstheater« und »Stunts«.

»Drei Mal Leben« – MainEcho 19. Juli 2006

»Drei Mal Leben«

Yasmina Rezas »Drei Mal Leben« in Alzenau

Alenzau. Ein Mann, eine Frau, ein Kind. Eine scheinbar völlig normale Familie stellt die Autorin Yasmina Reza in ihrem Stück »Drei Mal Leben« auf die Bühne. Das Kind schreit, weil es nicht schlafen will, der Mann ist ob des Gebrülls gestresst und die Frau genervt, weil sie ihre Akte für den nächsten Tag noch durchsehen will. Als der Streit der Eheleute zum immer wieder kehrenden Kindergeschrei eskaliert, klingelt es an der Tür: Der Chef des Mannes steht mit Gattin davor – einen Tag zu früh. Was folgt, sind Szenen zweier Ehen, voller subtiler und weniger subtiler Andeutungen, voller peinlicher Entgleisungen, Anfeindungen und Machtspielchen, die schließlich in offenen Hasstiraden gipfeln.

Der Alzenauer Theaterverein kultBurG hat sich unter anderem dieses Stück, das schonungslos das diffizile Beziehungsgeflecht der vier Kontrahenten mit all ihren missgünstigen, egozentrischen und rücksichtslosen Charaktereigenschaften frei legt, für die diesjährigen Theaterfestspiele auf der Burg ausgesucht.

Ausgezeichnete Schauspieler

Eine nicht ganz glückliche Wahl. Denn selbst die ausgezeichnet agierenden Schauspieler können die langatmige Handlung nicht retten. Insgesamt dreimal treffen die zwei Ehepaare in dem als schwarzer Kasten gestalteten Wohnzimmer aufeinander. Erhellt wird der kleine karge Raum nur durch vier weiße Ledersessel und drei auf dem Boden liegenden Kugellampen sowie einem Milchstraßenbild an der Rückwand (Bühne: Emilia Neumann, Klara Jebe). Jedesmal geht es darum, dass der gestresste Vater und Wissenschaftler Henri auf eine Beförderung hofft, aber gleich zu Beginn von dem einflussreichen Ranghöheren Hubert Finidori mitgeteilt bekommt, dass soeben eine andere Veröffentlichung zu seinem Thema erschienen ist. Jahrelange Forschungsarbeiten erscheinen plötzlich umsonst gewesen zu sein. Dreimal ändert Yasmina Reza an der Grundkonstellation nur Nuancen – mal reagiert Henri auf diese Mitteilung völlig aufgelöst, das andere Mal lässt er sich selbstbewusst durch nichts aus der Ruhe bringen – und gibt dem Geschehen einen neuen Verlauf.

Das könnte psychologisch sowie darstellerisch durchaus spannend sein, wäre das Stück nicht stellenweise so langweilig. Da weder das Bühnenbild noch die Handlung, die ausschließlich auf Dialogen aufbaut, keine Abwechslung oder gar Action bietet, hätte eine deutliche Komprimierung der zwar elegant-geschliffenen, aber häufig einfach zu langen Dialoge gut getan. Zudem hätte Regisseurin Uschi Jebe ihre Schauspieler zu mehr Tempo anspornen müssen. So liegt der Schwerpunkt der Inszenierung auf den ironisch-komödienhaften Einlagen, für die die zwischenmenschlichen Verstrickungen reichlich Raum bieten und die den vier Schauspielern gewollt peinlich-lustig gelingen.

Britta Olbrich spielt die von Mann und Kind genervte Karrierefrau Sonja herrlich kühl-berechnend, Jens Schneider als deren Ehemann Henri gelingt vor allem die notwendige Metamorphose vom unsicher-überforderten Wissenschaftler zum coolen Macher gut. Roland Kilchenstein als Hubert Finidori ist ein glaubhafter (und verfressener) Macho, der auf der einen Seite seine Ehefrau vor versammelter Mannschaft herunter putzt und auf der anderen Seite geckenhaft Henris Gattin nachstellt. Zu wahrer Höchstform läuft Marianne Hofmann als Ines Finidori im Laufe des Abends auf. Sowohl das gehorchende Heimchen am Herd, für die eine Laufmasche schon eine Katastrophe ist, als auch die Alkoholikerin, die sich vor den Demütigungen ihres Mannes in den Wein flüchtet, mimt sie ausgezeichnet.

Fassade bröckelt behutsam

Immer wieder blicken die beiden Frauen verständnisheischend ins Publikum, das in dem sehr kompakten Oberen Burghof ohnehin schon ganz nah an der Bühne sitzt, und beziehen es so in ihr Spiel mit ein. Ob man will oder nicht, man wird zum Beobachter, wie die sorgsam aufgebaute Fassade zweier Paare erst behutsam bröckelt und dann krachend einstürzt. Nur manchmal bleibt einem ob der Bitterkeit und der Missgunst, die da auf der Bühne dargestellt werden, das Lachen im Halse stecken.

Nina-Anna Beckmann

Weitere Vorstellungen: 20., 23., 25. und 27. Juli, jeweils 20 Uhr

»Der Nackte Wahnsinn« – MainEcho 18. Juli 2006

»Der Nackte Wahnsinn«

Toll, dass alles schief läuft!
Theaterverein »kultBurG« spielt »Der nackte Wahnsinn« bei Burgfestspielen

Der Schlussapplaus ist nicht unbedingt ein guter Gradmesser für die Qualität des Stücks respektive der Schauspieler. Denn sobald sich eine Aufführung der Drei-Stunden-Marke nähert, hält der Beifall meist nicht lange. Da bedarf es anderer Kriterien, die vom Wohlgefallen der Zuschauer zeugen – und derer hat es am Freitag in Alzenau reichlich gegeben: Applaus, Gelächter, Freudenquietscher und Entsetzensseufzer begleiteten Michael Frayns »Der nackte Wahnsinn«, den der Theaterverein »kultBurG« bei den Burgfestspielen Alzenau veranstaltete.

 

Die fetzige, temporeiche Komödie setzt beim Alptraum jeden Schauspielers und Regisseurs an: der sprichwörtlichen Generalprobe, bei der alles schief läuft. Doch damit gibt sich der Engländer Frayn nicht zufrieden, denn um wie viel schwärzer wird ein solcher Alptraum, wenn die Schauspieler in heimlichen Beziehungen und heimeligen Beziehungskisten verfangen sind!

Spannend ist bei einem solchen Alptraum natürlich nicht nur, welche Szenen sich während der Probe auf, sondern vor allem, welche sich während einer Tournee hinter der Bühne abspielen – und, im übertragenen Sinne, vor und hinter den Türen: Voilà, zweiter Akt. Aus zwei Perspektiven ergeben sich dieselben Kollisionen, doch zunehmend verschärft: Denn Chaos hinter impliziert einen Alptraum auf der Bühne – der Komödie dritter Teil.

Die Laien-Schauspieler agieren in Doppelrollen; vier charakterstarke Männer und fünf entschiedene Frauen stolpern in Verwirrungen munter übereinander, spannen mit Missverständnissen Fallstricke, stehen sich mit Wissen und Nicht-Wissen-Wollen im Weg. Roger Kihn als gebräunter Gigolo im weißen Anzug, der nur als Schauspieler Garry, nicht aber als Privatmann Roger einen flüssigen Satz über die Lippen bringt, ergänzt sich mit Heike Wissel als tussihafter Brooke, die als Privatfrau Vicky mit dem Regisseur alias Uwe Schramm zugange ist, zu einem herrlichen Paar. Doch halt! Der hält sich auch die graue Maus Poppy (Carolin Gündling), die als Regieassistentin den Fußabtreter geben muss. Garry alias Roger ist zudem heimlich mit Mrs. Clackett alias Dotty liiert, die Anni Christ-Dahm als schlappmäulige Hausfrau spielt. Dieses Geflecht durchschaut natürlich nur eine Frau: Sandra Alig hat sowohl als seriöse Belinda wie auch als klatschsüchtige Privatfrau Flavia den Durchblick, während Florian Zimmer als ihr korrekter Gatte Frederick vor der Steuerfahndung flieht und privat als Philip mit Liebeskummer kämpft. Dazwischen begeistern Manfred Jung und Gabi Wittemann mit ihren prägnanten Auftritten als verschlafener Selsdon und stolzer Einbrecher sowie als Bühnenmeisterin und Privatfrau Kim. Was höchst kompliziert klingt, ist es auch – aber vor einer geschickten Kulisse mit Türen, die sich von zwei Seiten zeigen, rasant und schlüssig inszeniert. Regisseur Josef Pömmerl lässt seinen verzweifelten Kollegen im Stück hinter, neben und vor den Zuschauerreihen agieren, ganz wie bei einer echten Theaterprobe. Jeder Zuschauer schwankt so zwischen heillosem Entsetzen – dem vor unterdrücktem Zorn bebenden Schramm gleich – und haltloser Gaudi.

Das Treiben entwickelt sich immer mehr zur rasanten Verfolgungsjagd. Die ist immer witzig und gewollt heftig, aber bisweilen doch so lang und dick aufgetragen, dass der klug gelöste Bühnenumbau vor dem auf einem Schiff spielenden dritten Akt – ein Seemann spielt Schifferklavier – unverdient abrupt wirkt. Einerlei: Die Zuschauer rasten vor Begeisterung – und ach ja, wie schön, dass nackte Haut wenigstens beim Laientheater noch ein Aufreger ist.

Susanne von Mach

Weitere Vorstellungen: Freitag, 21., und Samstag, 22., Freitag, 28., und Samstag, 29. Juli, jeweils um 20.30 Uhr

»Kasper und das lebendige Märchenbuch« – MainEcho 11. Juli 2006

»Kasper und das Lebendige Märchenbuch«

Moderne Welt: Kasper schickt der Königin eine SMS Premiere des ersten Kinderstücks bei den Alzenauer Burgfestspielen: 150 junge Menschen gestern mittendrin

Alzenau. Erstmals präsentierte der Theaterverein kultBurG bei den Alzenauer Burgfestspielen neben den beiden Inszenierungen für Erwachsene auch ein eigenes Kinderstück. Mit »Kasper und das lebendige Märchenbuch« von Klaus-Dieter Theis gelang ein absoluter Familienspaß, der bei der Premiere am Montagmorgen im oberen Burghof von den 150 kleinen und großen Zuschauern mit viel Beifall bedacht wurde.

 

»Das ist wirklich ein witziges Märchen«, ruft ein Mädchen schon nach wenigen Minuten lachend in die Runde. Kindergartenkinder sowie Erst- und Zweitklässler finden die temporeiche Geschichte toll, die geschickt Märchenwelt und Technologie des 21. Jahrhunderts verbindet. Letztere ist auch das größte Problem der Königin (herrlich genervt: Sabine Reichardt). Ihr Sohn Max sitzt den lieben langen Tag vor dem Fernseher, dem Computer, der X-Box oder der Playstation. Die Kinder kichern – das Problem ist ihnen wohl bekannt. Ein Fax an den Kasper konnte Hoheit nicht losschicken – weil Sohnemann sie nicht an den PC ließ.

Maria Fleschhut gibt den frechen Jungen zeitgemäß lässig in weiten Hosen, Karohemd, umgedrehter Baseballkappe und losem Mundwerk: Wegen dieser Kleinigkeiten »macht die Alte so ein Theater«. Als Kasper auftaucht (Stefka Huelsz-Träger mit mächtiger Nase und rot-gelbem Kostüm, die auch Regie führt) verabschiedet sich die Königin wegen »Staatsgeschäften«. »Die geht jetzt in Urlaub«, prusten die Mädchen und Jungen. »Voll ätzend« findet der Königsspross die Maßnahme, den Kasper als Kindermädchen abzustellen.

Weil das königliche Märchenbuch so langweilig ist und Max es vor Zorn auf den Boden pfeffert, wirft er dabei einige Märchenfiguren aus dem Buch und damit in sein Leben hinein. Den Auftritt der Hexe Abrax (Barbara Vogel-Hohm) findet Max ja noch okay (»geil ey, jetzt kommt endlich Stimmung auf«), wobei er glaubt, dass sie eher aus dem Altersheim kommt als aus dem Buch. Max fährt voll ab auf das fesche Rotkäppchen (Carmen Reichenbach). Doch als der Wolf (Manfred Jung) über die Bühne tobt (oder ist es doch eher Bruno, der Problembär, wie man im Publikum munkelt), da ist Schluss mit lustig. Mit dem Riesen Urgund (Heike Bösebeck) ist schließlich sein Albtraum da. Wie kommt er bloß aus dieser verflixten Situation heraus?

Bei den Versuchen von Kasper, Max zu befreien, helfen die Alzenauer Kinder kräftig mit. Wenn die Stimmung teilweise auch etwas zu laut wird, hilft ein Machtwort des Kaspers: »Warte mal ab, bis ich gebabbelt hab’, sonst haben wir hier ein Problem«, sagt er zu einem besonders eifrigen Dazwischenschwätzer. Die Kinder helfen mit Tipps und raten Kasper beim Erscheinen der Hexe: »Versteck dich!«, was dieser entrüstet von sich weist: »Für was für einen Feigling haltet ihr mich eigentlich?«. Zwei besonders Mutige tragen der Hexe Holzscheite vor den Hauseingang. Doch wofür eigentlich? Kasper leiht sich schließlich bei den Erwachsenen ein Handy aus, um der Königin eine SMS zu schreiben – die Kinder hatten ihre Handys alle zu Hause.

Wie das Märchen ausgeht wird hier natürlich nicht verraten, schließlich gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Vorstellungen für kleine und große Theaterfans. Nur so viel: Wer bereits eine Karte hat, kann sich schon in Vorfreude üben, wer noch keine besitzt, sollte sich schnellstens um eine bemühen.

Doris Huhn

Restkarten sind für die Vorstellungen noch vorhanden. Gespielt wird bis einschließlich Mittwoch, 26. Juli, täglich von Montag bis Freitag um 10 Uhr. Karten gibt es im Vorverkauf beim Städtischen Verkehrsamt, 06023/ 502-112.

»Baden gehn« – MainEcho 09. Mai 2006

Das kleine Glück im alltäglichen Wahnsinn

Beachtliche Premiere des Theatervereins »kultBurG« im Waldschwimmbad Alzenau

Alzenau. »Das Leben ist schön« stand auf der Fahne, die am Ende der kultBurG-Premiere eine der Hauptaussagen des Stücks plakativ auf die Bühne brachte. Mit der neuesten Produktion unter der Regie von Uschi Jebe (Regieassistenz: Klaus Kolb) vermittelte die Truppe genau dieses Gefühl den 200 Zuschauern im Waldschwimmbad. Für die starke Gemeinschaftsleistung ernteten die 17 Darsteller nach dem zweieinhalbstündigen Familienspaß Riesenapplaus.

 

Das Stück »Baden gehn« des Gripstheater-Gründers Volker Ludwig vermittelt Emotionenpur – so realistisch geraten die vielen kleinen Happy Ends im ganz alltäglichen Berliner Wahnsinn, so klar wird am Ende, dass die Glücksmomente kein Dauerzustand sein können, sondern sehr schnell von der bitteren Realität eingeholt werden.

Und trotzdem: Das Leben ist schön an diesem herrlichen Frühlingsabend an einem ungewöhnlichen Aufführungsort. Gäste, die eine Decke oder Isomatte mitgebracht haben, sitzen vor der Bestuhlung in der allerersten Reihe. Knabbersachen werden ausgepackt, die Picknick-Atmosphäre passt hervorragend zum Stück. Dieses spielt in einem Berliner Freibad, das aus Sparmaßnahmen geschlossen wurde. Längst ist kein Wasser mehr im Becken. Eine Gruppe ganz unterschiedlicher Menschen gelangt trotz Absperrung auf das Gelände und ignoriert das wenig einladende Ambiente.

Immer öfter prallen aber in den Gesprächen Welten aufeinander, Streit bleibt nicht aus, ein Wort gibt das andere, die Arbeitslosen, die Ausländer, die Obdachlosen sind schuld, die Politiker sowieso. Und in der DDR war früher eh alles besser. Als eine Geldbörse verschwindet und eine geladene Pistole auftaucht, kippt die scheinbare Zweck-Gemeinschaft gefährlich . . .

Da ist das Frührentner-Ehepaar (Stefka Huelsz-Träger und Tschang Jung), das in eine Beziehungskrise gerät. Sie lässt den Frust von Jahrzehnten raus: »Ich hasse dich seit 30 Jahren. Ich verrecke neben dir!« Ganz andere Probleme hat die junge Russin (Isabell Ritter), die einen »reichen, alten Sack abschleppen« will, bevor ihr Visum abläuft. Die beiden Freunde John (Florian Zimmer) und Alex (Matthias Woltering) lecken ihre Wunden. Während Alex partout keine Frau findet, laufen sie John hinterher. Der gescheiterte High Tech-Fuzzi mit 30 000 Euro Schulden (»ein Königreich für einen Nervenkitzel!«) spielt aber Russisch Roulette mit seiner Smith & Wesson.

Erstaunlich klar sieht der Türke Ergün (Andreas Blaha). »Warum geht ihr eigentlich in blödes Bad ohne Wasser?«, fragt er. Anders als die vielen Arbeitslosen in der Gruppe (»God save Hartz IV«) hat er einen Job. Einer muss schließlich in die Rentenkasse zahlen – »und wenn’s die Türken sind«. Und dann ist da noch das Punkmädchen, das sich selbst den Namen Lea gibt (Anne Werner). Vertraulichkeit zeigt sie nur bei dem gestörten Leo (Heiko Bozem). Doch der Sinn des Lebens fehlt ihr schon lange. In weiteren Rollen glänzten: Judith Bösebeck, Vroni Hanakam, Larissa Träger, Melissa Schäfer, Sandra Alig, Hannah Jebe, Egon Pichl, Georg Heres und Martina Bitz.

Die Aufführung wurde durch eine Kooperation mit der Musikschule Alzenau bereichert. Die zum Stück gehörenden Lieder spielte die Gruppe »Tube«. Dazu sangen und tanzten die Mitglieder von »kultBurG.« Überzeugend unterstützten die musikalischen Beiträge die jeweilige Stimmung. Zu dem romantischen »Ich möchte ein Wal sein« schuf die Truppe eine Wunderkerzen-Atmosphäre auf der Bühne.

Höhepunkt des Abends war das Lied »Das Leben ist schön«, das als Zugabe wiederholt wurde. Nach dem Schlussapplaus schlich sich doch tatsächlich so etwas wie Wehmut ein – musste man doch die ganzen Figuren, die fast wie Freunde geworden waren, nun verlassen. Gerne hätte man weiter daran teilgenommen, was aus Leo und Lea wird, ob John seine Smith & Wesson noch mal lädt und ob Ergün wirklich seine eigene Reinigungsfirma aufmacht . . .

Doris Huhn

Nach den Aufführungen im Waldschwimmbad gibt es eine weitere Vorstellung im Schöllkrippener Naturerlebnisbad am Donnerstag, 25. Mai (Christi Himmelfahrt), um 18 Uhr. Vorverkaufsstellen sind das Bürgerbüro im Rathaus und Schreibwaren Ostheimer.

»kultBurG«-Räume offiziell eröffnet – MainEcho Januar 2006

»kultBurG«-Räume offiziell eröffnet

Alzenau. Bereits seit Mitte 2005 werden sie intensiv genutzt, am 13. Januar wurden sie offiziell eröffnet: Die neuen Räume des Theatervereins »kultBurG« im ehemaligen Gesundheitsamt in der Hanauer Straße 92. Oberhalb der Räume der Jugendinitiative Alzenau hat die Stadt Alzenau dem Verein eine ehemalige Sozialwohnung zur Verfügung gestellt, die in monatelanger Arbeit renoviert wurde.

Der Vorsitzende des Theatervereins, Josef Pömmerl, freute sich daher besonders, mehrere Vertreter der Stadt zur Eröffnung begrüßen zu können, darunter Bürgermeister Walter Scharwies und Ute Englert von der Wohnbaugesellschaft. Bürgermeister Scharwies erinnerte daran, dass die Stadt selber noch einmal 45000 Euro in das Gebäude gesteckt hat. So wurde noch kurz vor der Eröffnung das Treppenhaus komplettiert saniert. Als Geschenk der Stadt überreichte er ein Foto der Burg Alzenau.

In seinen neuen Räumen hat der Verein jetzt genug Platz um Kostüme, Requisiten und technische Ausrüstung zu lagern. Zudem gibt es einen großen Probenraum, der auch für kleinere Veranstaltungen genutzt werden kann, ein Büro, eine Küche, einen kleinen Aufenthaltsraum und sanitäre Anlagen. Zur Zeit proben hier Dienstags die »Baden Gehen«-Leute, Donnerstags »”Der nackte Wahnsinn” und Samstagvormittags die Kindergruppe .

Wir sind keine Engel – MainEcho vom 05. Dezember 2005

»Komödie mit zwei Leichen«

Theaterverein »kultBurG« spielt »Wir sind keine Engel«

Alzenau. Mit blinkendem Rotlicht beginnt die neueste Produktion des Alzenauer Theatervereins »kultBurG« – ein Schäferhund kontrolliert gewissenhaft mit seinen beiden Soldaten-Herrchen den Zuschauerraum.

Und schon sind die vielen Besucher im Maximilian-Kolbe-Haus mitten drin in der Weihnachtskomödie »Wir sind keine Engel« (im Original: »Eine schöne Bescherung« von Albert Husson), die in der Inszenierung von Regisseur Josef Pömmerl (Regieassistenz: Anni Christ-Dahm und Carolin Gündling) prächtig unterhält und im Laufe des Abends zwei Leichen produziert. Nach zweieinhalb Stunden ist die Premiere am Freitag zu Ende (weitere Aufführungen am Samstag, Sonntag und heutigen Montag um 19.30 Uhr), stürmischer Applaus und Bravorufe belohnen die Truppe.

 

Weihnachten auf der französischen Insel Cayenne Anfang des 20. Jahrhunderts – es dominieren nicht nur satte 30 Grad, sondern auch finstere Gedanken bei den drei gerade ausgebrochenen Häftlingen der Strafkolonie. Doch dann erweist sich die für einen Raubmord avisierte Familie als so nett und die eintreffende Verwandtschaft als so ätzend, dass Jules, Alfredund Josephe flugs ihre Pläne ändern. Roland Kilchenstein, Roger Kihn und Uwe Schramm sind ein Klasse-Glatzen-Trio. Im Sträflingsanzug (Kostüme: Barbara Vogel-Hohm) zeigen sie nicht nur Kanten, sondern auch einen weichen Kern unter der rauen Schale.

Während sich der eine als Verkaufsgenie in dem müden Laden von Felix Ducotel erweist (»Man verkauft doch nie die Ware, sondern immer die dazugehörige Geschichte«), kümmert sich der zweite um das Weihnachtsessen und »besorgt« ein Huhn. Der dritte pflegt intensiv das Seelenheil von Tochter Isabelle, die Franziska Schiller mit Bravour darstellte, obwohl ihr der Text teilweise sehr altmodische Sätze vorschrieb. Klaus Kolb und Vroni Hanakam als sympathisches Ehepaar erwarten den Besuch von Tante Justine als »Katastrophe«. Und als Heike Woltering wie die siebte Plage über das beschauliche Heim (Bühnenbild: Jens Schneider und Emilia Neumann) hereinbricht (Lieblingsspruch: »Schluss damit!«), versteht man weshalb. Matthias Wissel als ihr Sohn Paul macht sich auch nicht gerade beliebt, da er rein geschäftlich denkt und die Liebe von Isabelle nicht zu würdigen weiß.

In kleineren Rollen glänzen Heike Bösebeck als Madame Parole, die ohne Punkt und Komma redet sowie Mathias Woltering und Florian Zimmer als Soldaten und Leutnant. Zwischen (künstlichem) Weihnachtsbaum, besinnlicher Stimmung und einem guten Tropfen Beaujolais kreisen die Gedanken der Ganoven zunächst noch um den ursprünglichen Plan. Ordentlich will man aber schon sein. Erst der Abwasch des Hühnchen-Essens, dann der Raub und schließlich der Mord. Wenn’s geht, nicht die Kehle durchschneiden, das »macht Schmutz« und verdirbt einem die Weihnachtsstimmung.

Doch nach dem Auftauchen der »netten« Verwandtschaft übernehmen die Sträflinge die Regie. Mit Leichtigkeit zieht das Trio die Fäden des Schicksals, bringt in die katastrophale Kassenführung Ordnung, »verhilft« Paul mit vorgehaltener Pistole zu einem Rendezvous mit Isabell und lässt sich von Tante Justines Sprüchen (»Ich werd’ euch alle verhaften lassen!«) nicht im geringsten beeindrucken (»Das ist längst geschehen!«).

Mit »Wir sind keine Engel« ist »kultBurG« ein stimmiges Weihnachtsstück gelungen, das trotz der zeitlichen Ansiedlung in der Vergangenheit modern wirkt. Die Verknüpfung von geschäftlichen Interessen mit dem Fest der Feste ist heute so aktuell wie nie. Der Witz der Geschichte ist zeitlos.

Mit den Darstellern der Ganoven wurde ein originelles Trio gefunden, das starke Bühnenpräsenz zeigt. Durch die Idealbesetzung aller Rollen und die durchgehende Identifikation der einzelnen Darsteller mit diesen wirkte die geschlossene Aufführung wie ein feines Abendessen, das die Zuschauer bis zum letzten Bissen genießen konnten.

Doris Huhn

Aliens in Alzenau – MainEcho vom 28. November 2005

»Aliens in Alzenau«

Die Außerirdischen waren nicht zu sehenAlzenau. »Aliens in Alzenau« – Wer bei diesem reißerische Titel auf Außerirdische gehofft hatte, wurde enttäuscht. Nicht enttäuscht wurde aber diejenigen, die sich auf diesen Theaterspaß der »kultBurG-Kids«, der Kindergruppe des Theatervereins »kultBurG« eingelassen hatten. 13 Kinder und eine »Leihmutter« von der Jugendgruppe hatten unter Regie von Stefka Huelsz-Träger und Gertrud Englert-Schauer dieses Stück für den Weihnachtsmarkt einstudiert. Dabei ging es um eine Schar Kinder, die Außerirdische gesehen haben will. Jetzt sammeln sie eine Kiste mit Utensilien, um den Außerirdischen Beispiele unserer Zivilisation zu liefern. Dass sie dabei weder vor dem Hörgerät des Opas, noch vor der Zahnspange der Schwester halt machen, sorgte für zahlreiche Lacher.

joe/Foto: Josef Pömmerl

Anni im “Speakers Corner”- Sieben Plus vom November 2005

Warten auf die große Chance

Raus auf die Bühne: Vor leichten Sprüchen kommt harte Arbeit 1000 Watt Scheinwerferlicht voll ins Gesicht, die Welt ist eine einzige Bühne und doch nur fünf Meter lang und drei Meter tief. Vor dem Mikro – im Dunkeln – sitzen 200 Beobachter, wollen den Alltag weglachen. Bleiben sie stumm, bilden die Bretter da oben den schlimmsten Ort auf Erden; wird die Komödie zur Tragödie; markiert der Abgang das Ende des Traums, als Künstler Karriere zu machen.

 

Dabei soll doch der gleißende Schein für immer das Sein bestimmen. »Du bist die Vor- und die Nachspeise«, sagt Clajo Herrmann zu Michael Eller: der Mann, der die Stimmung anheizt und das Publikum gut gelaunt in die Nacht hinaus entlässt. Clajo Herrmann und Michael Eller fläzen sich vor der Bühne des Aschaffenburger Hofgarten-Kabaretts, gehen den Zeitplan für das Speakers Corner an diesem Abend durch. Herrmann – eine Hälfte des Ersten Allgemeinen Babenhäuser Pfarrer-Kabaretts – ist Moderator des Abends, Eller eröffnet und beschließt die über zwei Runden gehende Talent-show für Nachwuchs-Kabarettisten und -Comedians.

Zwei Mal zehn Minuten hat der Frankfurter, um das Aschaffenburger Publikum von sich zu überzeugen. Bestreiten wird er sie mit Auszügen aus seinem abendfüllenden Programm »Hauptsache, die Haare liegen«. Kein Head-Set, lieber Stand-Mikro, signalisiert Michael Eller Hofgarten-Licht- und -Ton-Techniker Andi Roth. Es hält den Comedian in der Bühnenmitte, bildet einen Haltepunkt. Seit drei Jahren treibt Michael Eller regelmäßig seine Späße vor Publikum, auf etwa 70 Auftritte bringt er es pro Jahr. Comedy ist Kult geworden in Deutschland, Eller gehört zu den vielen weniger Bekannten im großen Feld der Kodderschnauzen, Promi-Zeiher, Gagverwerter. Deshalb sind für ihn Auftrittsmöglichkeiten wie das Speakers Corner wichtig: Hier kann er Punkte sammeln, sich einen Namen machen, eine Fangemeinde aufbauen . . . . . . wenn denn sein Programm stimmt, die Witze zünden, die Pointen sitzen.

Nur: Für die meisten Bühnenbetreiber bedeutet jeder No-Name-Comedian ein Risiko. Nicht, dass sie einen Rohrkrepierer befürchten. Aber bei Pocher, Nuhr, Hoecker und Maddin weiß das Publikum, was es erwartet und kommt – denn auch der Zuschauer lässt sich nur ungern auf das Risiko ein, sein Geld auf gut Glück auszugeben. Axel Teuscher macht denn auch keinen Hehl daraus, dass Speakers Corner für das Aschaffenburger Vorzeige-Kabarett neben dem künstlerischen Stellenwert auch einen finanziellen Aspekt hat. Den Jungen, Neuen, Unbekannten, Hungrigen ist an Speakers-Corner-Abenden die Bühne frei, das muss reichen, sagt der Geschäftsführer der Humor-Anstalt: Wer rauf will, sagt einfach Bescheid. Gage gibt’s keine, immerhin aber ein Fahrtgeld. Schließlich lebt der wahre Künstler vom Idealismus: weswegen zu den unbestrittenen Glanzlichtern dieser Hofgarten-Reihe zählt, wenn Mike Wissel, der Wirt der benachbarten Gaststätte, von spontaner Lust getrieben schnell mal die Bühne entert und seinen aktuellen Lieblingswitz zum besten gibt.

Auch das ist Speakers Corner: Jeder darf mal ran, er muss sich nur trauen. So wie Anni Christ-Dahm. Die Alzenauerin hat im heimischen Theaterverein Bühnenerfahrung gesammelt, nun muss sie beim Speakers Corner zum ersten Mal mutterseelenallein raus auf die Bühne – und das nur, weil »mich der Teufel geritten hat, mich zu bewerben«.

Die Probe lässt Freiraum zum Philosophieren: »Eigentlich ist Comedy ja mehr etwas für junge Leute«, sagt die 48-Jährige, »ich habe eine andere Lebenserfahrung, einen anderen Humor«. In erster Linie geht es Anni Christ-Dahm um die Courage und das Ausloten der eigenen Grenzen. Ambitionen auf eine Comedy-Karriere hat sie nicht, ihre eher kabarettistisch gefärbten Auftritte gefallen den Zuschauern – auch wenn Moderator Herrmann trotz deutlichen Überziehens der vereinbarten Zeit ein galliges »Wir machen durch bis morgen früh« anstimmt.

Michael Eller und der auf furztrockenen fränkischen Humor setzende Fürther Matthias Egersdörfer – der an diesem Abend ebenfalls seine zwei Auftritte hat – denken da in ganz anderen Kategorien, machen unbeirrt weiter und haben’s schon fast geschafft. Sie bestreiten mittlerweile Programme im C 3, der Comedy-Lounge von Hofgarten und Kinopolis. C 3 ist die Spielstätte »der Halbprofessionellen«, sagt Teuscher: jener, die den Hofgarten noch nicht zur Gänze füllen, aber auf einem guten Weg dahin sind. Tatsächlich hat sich der Freiberufler Eller mit Comedy ein zweites Standbein geschaffen, »auf dem ich mittlerweile die meiste Zeit fuße«. Der Mann meint es ernst – so ernst, wie er die anfänglichen und guten Ratschläge im Freundeskreis nahm. »Mach doch mal was auf der Bühne«, sagten die zu seiner Art des Humors und daraufhin besuchte Michael Eller die Comedy-Akademie in Köln, wo Trainer wie der Produzent der legendären »RTL-Samstag-Nacht«-Show den Karl Valentins der Spaß-Gesellschaft das Handwerk beibringen.

Michael Eller scheint gut aufgepasst zu haben: Im Hofgarten gibt es Szenenapplaus für den selbsternannten »liebenswerten Drecksack mit hoher Gag-Dichte«, die Beruhigungs-Zigarette vor dem Auftritt im Hof des Kabaretts erweist sich im nachhinein als überflüssig, . . . . . . zumal Eller auf Selbstbewusstsein setzt und neuerdings auch Bewusstseinserweiterung betreibt: »Comedy-mäßig liegt Frankfurt brach«, befindet er und will das mit der Stand-up Lounge in der Frankfurter Batschkapp ändern: In dem Heddernheimer Rock-Schuppen wird seit diesem Herbst jeden zweiten Dienstag im Monat nach dem Speakers-Corner-Vorbild die Bühne freigemacht für Talente, Michael Eller selbst hat sich in seiner Moderatoren-Rolle als Institution im geplanten Kult etabliert. Damit wird das Netz der Möglichkeiten in Rhein-Main dichter, bietet die Masse nun auch Chancen für Klasse.

Die gibt es, zeigt sich am Beispiel des Poetry Slam in Darmstadt: Mit »Dichterschlacht« übersetzt der gleichnamige Verein den englischen Begriff für den Wettbewerb um geschliffene Reime – und dass dies nicht bierernst gemeint ist, beweist die Aufforderung an die vom Publikum bewerteten Dichter, ihre Rede auf die Reife eines Pilses – also sieben Minuten – zu beschränken. Die Dichterschlacht in der Centralstation hat im dritten Jahr ihres Bestehens bundesweit Anerkennung erreicht, gerade weil keineswegs wortarme Poeten von ihrer Bühne ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gesprungen sind.

Ludger Kusenberg ist so einer, der es mit seiner Leidenschaft schaffen wird: Vor fünf Jahren hatte der Journalist seinen ersten bezahlten Auftritt, heute reicht ein K mit Punkt als Synonym für einen »hauptberuflichen Kabarettisten mit starken Stand-up-Elementen«. Ludger K. gibt einen bemerkenswerten Auftritt beim Speakers Corner, jedes Wort ist eine Faust und jeder Satz ein Treffer. Geschickt mischt der »Berufsjugendliche im Ruhestand« politisches Kabarett mit Zeitgeist-Spaß-Kultur: »Vor der Papstwahl gab es in Deutschland zwei große Religionen: den Islam und den Atheismus«, oder: »Das Land der Dichter ist zum Land der nicht mehr ganz Dichten geworden«. Leichte Sprüche, hinter denen harte Arbeit steckt. Ganz klar, Ludger K. ist an diesem Abend die Hauptspeise. Und weil er so gut mundet, nimmt ihn Axel Teuscher ins Solo-Programm für die kommende Saison. Diesmal mit Gage.

Stefan Reis