»Drei Mal Leben« – MainEcho 19. Juli 2006

»Drei Mal Leben«

Yasmina Rezas »Drei Mal Leben« in Alzenau

Alenzau. Ein Mann, eine Frau, ein Kind. Eine scheinbar völlig normale Familie stellt die Autorin Yasmina Reza in ihrem Stück »Drei Mal Leben« auf die Bühne. Das Kind schreit, weil es nicht schlafen will, der Mann ist ob des Gebrülls gestresst und die Frau genervt, weil sie ihre Akte für den nächsten Tag noch durchsehen will. Als der Streit der Eheleute zum immer wieder kehrenden Kindergeschrei eskaliert, klingelt es an der Tür: Der Chef des Mannes steht mit Gattin davor – einen Tag zu früh. Was folgt, sind Szenen zweier Ehen, voller subtiler und weniger subtiler Andeutungen, voller peinlicher Entgleisungen, Anfeindungen und Machtspielchen, die schließlich in offenen Hasstiraden gipfeln.

Der Alzenauer Theaterverein kultBurG hat sich unter anderem dieses Stück, das schonungslos das diffizile Beziehungsgeflecht der vier Kontrahenten mit all ihren missgünstigen, egozentrischen und rücksichtslosen Charaktereigenschaften frei legt, für die diesjährigen Theaterfestspiele auf der Burg ausgesucht.

Ausgezeichnete Schauspieler

Eine nicht ganz glückliche Wahl. Denn selbst die ausgezeichnet agierenden Schauspieler können die langatmige Handlung nicht retten. Insgesamt dreimal treffen die zwei Ehepaare in dem als schwarzer Kasten gestalteten Wohnzimmer aufeinander. Erhellt wird der kleine karge Raum nur durch vier weiße Ledersessel und drei auf dem Boden liegenden Kugellampen sowie einem Milchstraßenbild an der Rückwand (Bühne: Emilia Neumann, Klara Jebe). Jedesmal geht es darum, dass der gestresste Vater und Wissenschaftler Henri auf eine Beförderung hofft, aber gleich zu Beginn von dem einflussreichen Ranghöheren Hubert Finidori mitgeteilt bekommt, dass soeben eine andere Veröffentlichung zu seinem Thema erschienen ist. Jahrelange Forschungsarbeiten erscheinen plötzlich umsonst gewesen zu sein. Dreimal ändert Yasmina Reza an der Grundkonstellation nur Nuancen – mal reagiert Henri auf diese Mitteilung völlig aufgelöst, das andere Mal lässt er sich selbstbewusst durch nichts aus der Ruhe bringen – und gibt dem Geschehen einen neuen Verlauf.

Das könnte psychologisch sowie darstellerisch durchaus spannend sein, wäre das Stück nicht stellenweise so langweilig. Da weder das Bühnenbild noch die Handlung, die ausschließlich auf Dialogen aufbaut, keine Abwechslung oder gar Action bietet, hätte eine deutliche Komprimierung der zwar elegant-geschliffenen, aber häufig einfach zu langen Dialoge gut getan. Zudem hätte Regisseurin Uschi Jebe ihre Schauspieler zu mehr Tempo anspornen müssen. So liegt der Schwerpunkt der Inszenierung auf den ironisch-komödienhaften Einlagen, für die die zwischenmenschlichen Verstrickungen reichlich Raum bieten und die den vier Schauspielern gewollt peinlich-lustig gelingen.

Britta Olbrich spielt die von Mann und Kind genervte Karrierefrau Sonja herrlich kühl-berechnend, Jens Schneider als deren Ehemann Henri gelingt vor allem die notwendige Metamorphose vom unsicher-überforderten Wissenschaftler zum coolen Macher gut. Roland Kilchenstein als Hubert Finidori ist ein glaubhafter (und verfressener) Macho, der auf der einen Seite seine Ehefrau vor versammelter Mannschaft herunter putzt und auf der anderen Seite geckenhaft Henris Gattin nachstellt. Zu wahrer Höchstform läuft Marianne Hofmann als Ines Finidori im Laufe des Abends auf. Sowohl das gehorchende Heimchen am Herd, für die eine Laufmasche schon eine Katastrophe ist, als auch die Alkoholikerin, die sich vor den Demütigungen ihres Mannes in den Wein flüchtet, mimt sie ausgezeichnet.

Fassade bröckelt behutsam

Immer wieder blicken die beiden Frauen verständnisheischend ins Publikum, das in dem sehr kompakten Oberen Burghof ohnehin schon ganz nah an der Bühne sitzt, und beziehen es so in ihr Spiel mit ein. Ob man will oder nicht, man wird zum Beobachter, wie die sorgsam aufgebaute Fassade zweier Paare erst behutsam bröckelt und dann krachend einstürzt. Nur manchmal bleibt einem ob der Bitterkeit und der Missgunst, die da auf der Bühne dargestellt werden, das Lachen im Halse stecken.

Nina-Anna Beckmann

Weitere Vorstellungen: 20., 23., 25. und 27. Juli, jeweils 20 Uhr