Wir sind keine Engel – MainEcho vom 05. Dezember 2005

»Komödie mit zwei Leichen«

Theaterverein »kultBurG« spielt »Wir sind keine Engel«

Alzenau. Mit blinkendem Rotlicht beginnt die neueste Produktion des Alzenauer Theatervereins »kultBurG« – ein Schäferhund kontrolliert gewissenhaft mit seinen beiden Soldaten-Herrchen den Zuschauerraum.

Und schon sind die vielen Besucher im Maximilian-Kolbe-Haus mitten drin in der Weihnachtskomödie »Wir sind keine Engel« (im Original: »Eine schöne Bescherung« von Albert Husson), die in der Inszenierung von Regisseur Josef Pömmerl (Regieassistenz: Anni Christ-Dahm und Carolin Gündling) prächtig unterhält und im Laufe des Abends zwei Leichen produziert. Nach zweieinhalb Stunden ist die Premiere am Freitag zu Ende (weitere Aufführungen am Samstag, Sonntag und heutigen Montag um 19.30 Uhr), stürmischer Applaus und Bravorufe belohnen die Truppe.

 

Weihnachten auf der französischen Insel Cayenne Anfang des 20. Jahrhunderts – es dominieren nicht nur satte 30 Grad, sondern auch finstere Gedanken bei den drei gerade ausgebrochenen Häftlingen der Strafkolonie. Doch dann erweist sich die für einen Raubmord avisierte Familie als so nett und die eintreffende Verwandtschaft als so ätzend, dass Jules, Alfredund Josephe flugs ihre Pläne ändern. Roland Kilchenstein, Roger Kihn und Uwe Schramm sind ein Klasse-Glatzen-Trio. Im Sträflingsanzug (Kostüme: Barbara Vogel-Hohm) zeigen sie nicht nur Kanten, sondern auch einen weichen Kern unter der rauen Schale.

Während sich der eine als Verkaufsgenie in dem müden Laden von Felix Ducotel erweist (»Man verkauft doch nie die Ware, sondern immer die dazugehörige Geschichte«), kümmert sich der zweite um das Weihnachtsessen und »besorgt« ein Huhn. Der dritte pflegt intensiv das Seelenheil von Tochter Isabelle, die Franziska Schiller mit Bravour darstellte, obwohl ihr der Text teilweise sehr altmodische Sätze vorschrieb. Klaus Kolb und Vroni Hanakam als sympathisches Ehepaar erwarten den Besuch von Tante Justine als »Katastrophe«. Und als Heike Woltering wie die siebte Plage über das beschauliche Heim (Bühnenbild: Jens Schneider und Emilia Neumann) hereinbricht (Lieblingsspruch: »Schluss damit!«), versteht man weshalb. Matthias Wissel als ihr Sohn Paul macht sich auch nicht gerade beliebt, da er rein geschäftlich denkt und die Liebe von Isabelle nicht zu würdigen weiß.

In kleineren Rollen glänzen Heike Bösebeck als Madame Parole, die ohne Punkt und Komma redet sowie Mathias Woltering und Florian Zimmer als Soldaten und Leutnant. Zwischen (künstlichem) Weihnachtsbaum, besinnlicher Stimmung und einem guten Tropfen Beaujolais kreisen die Gedanken der Ganoven zunächst noch um den ursprünglichen Plan. Ordentlich will man aber schon sein. Erst der Abwasch des Hühnchen-Essens, dann der Raub und schließlich der Mord. Wenn’s geht, nicht die Kehle durchschneiden, das »macht Schmutz« und verdirbt einem die Weihnachtsstimmung.

Doch nach dem Auftauchen der »netten« Verwandtschaft übernehmen die Sträflinge die Regie. Mit Leichtigkeit zieht das Trio die Fäden des Schicksals, bringt in die katastrophale Kassenführung Ordnung, »verhilft« Paul mit vorgehaltener Pistole zu einem Rendezvous mit Isabell und lässt sich von Tante Justines Sprüchen (»Ich werd’ euch alle verhaften lassen!«) nicht im geringsten beeindrucken (»Das ist längst geschehen!«).

Mit »Wir sind keine Engel« ist »kultBurG« ein stimmiges Weihnachtsstück gelungen, das trotz der zeitlichen Ansiedlung in der Vergangenheit modern wirkt. Die Verknüpfung von geschäftlichen Interessen mit dem Fest der Feste ist heute so aktuell wie nie. Der Witz der Geschichte ist zeitlos.

Mit den Darstellern der Ganoven wurde ein originelles Trio gefunden, das starke Bühnenpräsenz zeigt. Durch die Idealbesetzung aller Rollen und die durchgehende Identifikation der einzelnen Darsteller mit diesen wirkte die geschlossene Aufführung wie ein feines Abendessen, das die Zuschauer bis zum letzten Bissen genießen konnten.

Doris Huhn