»Die lustigen Leidenden« Schauspielpatienten helfen an der Uniklinik bei der Praxisausbildung von Ärzten – MainEcho vom 13. Februar 2008

Die lustigen Leidenden

Schauspielpatienten helfen an der Uniklinik bei der Praxisausbildung von Ärzten

Frankfurt. Wir befinden uns im sicherlich lustigsten Wartezimmer am Frankfurter Universitätsklinikum. Es wird gescherzt, gelacht und rumgealbert. Dabei sind alle Anwesenden schwer krank: Lebensmittelvergiftung, Lungenentzündung oder Herzrhythmusstörung. In wenigen Minuten werden sie wieder husten oder schmerzvoll die Arme an den Bauch pressen. Doch jetzt haben sie Pause.

 

Das runde Dutzend Personen, das hier im Lehrstudio auf seinen Einsatz wartet, sind Schauspielpatienten. An ihnen sollen künftige Ärzte üben, wie sie mit Patienten umgehen müssen. An diesem Tag sind Untersuchungskurse an der Reihe. Studierende im fünften Semester sollen bei der Anamnese, einem klärenden Vorgespräch, passende Fragen stellen um auf eine richtige Diagnose zu kommen. Es ist das erste Mal, dass die angehenden Ärzte mit »Patienten« zu tun haben. Deshalb wirken viele verunsichert, müssen öfter nachdenken, was sie noch fragen können. Manchmal gibt der ganze Kurs Anregungen, manchmal beobachtet dieser schweigend und schreibt mit. »Das macht jeder Dozent anders«, erklärt Sandy Kujumdshiev. Sie ist Ärztin, und an der Klinik für die OSCE-Prüfungen verantwortlich. Dabei müssen Ärzte wie in einem Zirkeltraining nacheinander mehrere Stationen aufsuchen und praktische Aufgaben bewältigen. Bei den OSCE-Prüfungen ist laut Kujumdshiev aufgefallen, »dass wir professionelle Patienten brauchen.« Denn ein Student, der einen 68-
Jährigen mit Diabetes spielt, wirkt einfach nicht überzeugend. Daher war die Frankfurter Uniklinik eine der ersten, die Schauspielpatienten einsetzt. So erfolgreich, dass die Zahl von jetzt 92 Simulanten mehr als verdoppelt werden soll. Uwe Zinßer betreut die Simulationspatienten und übt mit ihnen ihre Krankheiten ein. Sie bekommen dabei eine komplett neue Persönlichkeit verpasst: Name, Beruf, Hobby, Familiengeschichte.

Wer bei uns krank sein will, muss kerngesund sein. (Patiententrainer Uwe Zinßer)

Jede Kleinigkeit kann wichtig sein: Ist die Mutter an Krebs gestorben, hat die Patientin Angst davor, selber an Krebs zu leiden. Gibt es Probleme in der Familie, könnte das die Schlafstörungen erklären. Rund drei Stunden dauert so ein Training; zunächst entwickelt man gemeinsam die neue Persönlichkeit und dazu eine komplette Lebensgeschichte. Dann werden die Symptome eingeübt. Und am Ende geht es auf den heißen Stuhl: Jeder Patient wird geprüft, ob er das Gelernte auch beherrscht. Doch auf alle Situationen kann man die Schauspielpatienten nicht vorbereiten. Daher müssen diese auch improvisieren können. Gleichzeitig müssen sie jedoch so spielen, dass sie Prüfungen nicht beeinflussen. Gibt der Patient zu deutliche Hinweise, könnte es sein, dass die Prüfung nicht gewertet wird. Andererseits hat so mancher Patient den Prüfling schon gerettet. Bei
einem Blackout genügt oft ein: »Herr Doktor, Sie schauen so seltsam. Es ist doch nichts Ernstes?«, um diesen wieder zurückzuholen. Auf jeden Fall darf er aber, etwa bei einer OSCE-Prüfung, in der 20. Wiederholung nicht schlauer sein, als beim ersten Mal. Fällt ein Fachwort wie Diarrhö muss er auch dann fragen: »Herr Doktor, was ist denn das?« Sonst würde er die Prüfungsbedingungen verändern. Man könnte denken, dass professionelle Schauspieler für diese Aufgabe bestens geeignet sind. Doch Uwe Zinßer winkt ab. Die würden manchmal zu theatralisch, sobald sie Zuschauer haben. Die meisten Schauspielpatienten hat er in Vereinen aufgelesen, bei Bekannten oder einfach auf der Straße angesprochen. Wichtig ist auch, dass die Simulanten kerngesund sind. Sonst könnte sich die reale Krankengeschichte mit der erfundenen vermischen. Am heutigen Tag sind fast nur Mitglieder von Amateurtheatergruppen anwesend. Und denen scheint ihr Einsatz großen Spaß zu bereiten. Gleichzeitig sehen sie jedoch die soziale Verantwortung. Stefka Huelsz-Träger von der Alzenauer »Kultburg« findet es wichtig, »wenn die Ärzte mit dem Wissen rausgehen, wie man als Patient behandelt werden möchte.« Geld gibt es dafür zwar auch, doch, so Peter Beuchelt vom »Theater Familie Krause« aus Kelkheim-Fischbach: »Das liegt weit unter Hartz IV.«

Dafür macht es ihnen doppelt Freude, wenn sie überzeugend wirken. »Meine Studentin hat mir beim Abschied gesagt, sie hofft, dass es mir familiär bald besser geht«, sagt lachend Inge Mayer aus Alzenau. In ihrer Rolle hat ihr Mann Alkoholprobleme. Und nicht selten gibt es von den Studierenden nachher auch die Belohnung, die jeder Schauspieler braucht: Applaus!

Josef Pömmerl

Die Universitätsklinik sucht weitere Simulationspatienten. Info bei Uwe Zinßer, 069/6301-87150 oder E-Mail uwe.zinsser@kgu.de.

»Zum Weinen und zum Tanzen« Klezmerkonzert mit Trio Oyftreff in der Alzenauer Burg – Erlös für krebskranke Kinder – MainEcho vom 26. Januar 2008

Zum Weinen und Tanzen

Klezmerkonzert mit Trio Oyftreff in der Alzenauer Burg – Erlös für krebskranke Kinder

Alzenau. Klezmermusik ist jüdische Hochzeitsmusik. Sie soll die Ehefrau erst zum Weinen bringen bevor sie die Freude der Hochzeit erfahren darf. Am Freitag spielte eines der besten Klezmer-Trios Deutschlands, das Trio Qyftreff aus Hannover, in der Alzenauer Burg.

 

Die Musiker – Stefan Goreiski am Knopfakkordeon, Thomas Siebert an Klarinette, Oboe und Gitarre sowie Annette Siebert an der Violine begannen ihr Konzert mit einer freien Interpretation aus drei Ecken des Raums.

Außer bei Hochzeiten und in der Religion darf in der jüdischen Religion keine Musik erklingen, aus Trauer über die Zerstörung des Tempels in Jerusalem. Daher auch die Mischung zwischen sentimentalen und klagenden Tönen sowie der reinen Freude am Leben und Tanzen, die für Klezmer so typisch ist. Im Verlauf des Konzerts wurde deutlich, wie stark die jüdische mit anderen Musiken verwoben ist. Lieder aus Palästina, Moldawien, Rumänien und den USA gehörten zum Repertoire des Abends. Verwoben unter anderem dadurch, dass Zigeunermusiker und jüdische Musiker oft zusammenspielten, durch die Auswanderung der Juden in andere Länder oder allein durch die räumliche Nähe wie bei Palästina und Israel.

Es sei wünschenswert, so Thomas Siebert, dass die beiden Länder gesellschaftlich ebenso zusammenrücken würden, wie die es musikalisch bereits getan haben. Bei den arabischen Stücken gelang es Annette Siebert mit der Geige den Klang arabischer Flöten täuschend echt nachzumachen.

Der Alzenauer Theaterverein Kultburg hatte zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar zu diesem Konzert eingeladen. Leider fanden nur rund 30 Zuhörer den Weg in die Burg, was wohl den vielen Faschingsveranstaltungen geschuldet war. Denn an den Musikern kann es nicht gelegen haben: Sie bewiesen im Rittersaal erneut ihre Klasse.

Der Erlös ging an den Verein Hilfe für krebskranke Kinder Frankfurt, der sich um Kinder an der Universitätsklinik kümmert. Insgesamt 2500 Euro hat der Verein Kultburg mit diesem Konzert und drei Veranstaltungen im vergangenen Jahr – Burgführungen im Oktober, Benefizkonzert von »Vogelfrey und Unvuorzaget« sowie Konzert der Kultburg-Raben – dem Verein überwiesen. Als Vertreterin dankte Ute Roth dafür. Spendenübergabe

2500 Euro hat der Alzenauer Theaterverein Kultburg mit dem Erlös dreier Veranstaltungen im vergangenen Jahr sowie dem Konzert von Oyftreff am Freitag an den Verein Hilfe für krebskranke Kinder überwiesen. Dafür dankte Ute Roth vom Verein (vorne links) der Organisatorin Claudia Neumann. Im Hintergrund die Musiker Stefan Goreiski, Annette Siebert und Thomas Siebert (von links).

Josef Pömmerl

»Geschlemmt, geschrieen und gelallt« – MainEcho vom 27. Oktober 2007

»Geschlemmt, geschrieen und gelallt«

Ausverkaufte Premiere des Kultburg-Stücks »Schweig, Bub!« im Alzenauer Maximilian-Kolbe-Haus

Alzenau. Es wird gegessen, unheimlich viel gegessen. Dampfende Klöße, Schweinebraten, Torte, Bratwürste und Sauerkraut. Dazu wird getrunken, in vollen Zügen, Kaffee, Bier, Wein und natürlich Schnaps. Beste Grundlage zur Familienfarce »Schweig, Bub!«, die der Alzenauer Theaterverein Kultburg am Donnerstagabend als erste von insgesamt vier Aufführungen im Maximilian-Kolbe-Haus präsentierte.

 

Die achtköpfige Truppe unter der Regie von Uwe Schramm macht ihre Sache gut, sogar sehr gut. Fast zweieinhalb Stunden lang tobt der ganz normale Familienwahnsinn dort vorne auf der Bühne im Rahmen
einer Konfirmationsfeier, und der Wiedererkennungswert ist famos. 30 Jahre alt ist der Volksstück-Klassiker des fränkischen Autors Fitzgerald Kusz und trotzdem hat sich nicht viel geändert, wenn die liebe Familie zu einem Fest zusammenkommt, das ganz besonders schön werden soll.

Die 110 Besucher sind schnell gefesselt von dem flüssigen Spiel der Theaterspieler, die im stimmigen Rahmen (Ausstattung, Kostüme und Frisuren sind perfekt auf die 70er Jahre zugeschnitten) agieren. Klein-, gut- und vor allem spießbürgerlich geht es zu an der fein gedeckten Tafel. Vom Mittagessen bis zum Absacker lange nach Mitternacht wird geschlemmt, gesprochen, gemäkelt, gezetert und zum Schluss geschrieen, geheult und gelallt.

Dabei verwandelt sich das Klima schleichend. Was mit kleinen Sticheleien und Seitenhieben beginnt, endet im offenen Krieg. Die Versöhnung angesichts des hohen Feiertages muss zwingend her und wird hinter den Kulissen vollzogen, am Ende »war doch alles schee« – nur der Pfarrer ist nicht gekommen!

Das Stück gewinnt durch seinen Dialekt, der die Schauspieler und das Publikum noch näher zusammen bringt. Natürlich gibt es hier auch deftigere Schimpfwörter, die satter klingen. Was ist schon ein Ar… gegen einen »aalen Depp« oder einen »Saubär«…

Die Hauptfigur des Tages sollte eigentlich Konfirmand Fritz sein (Niklas Bister-Reichardt). Doch dieser wird bei seiner ersten Wortmeldung von seiner Mutter (Maria Fleschhut) mit den titelgebenden Worten »Schweig, Bub!« in den Senkel gestellt. Sein Vater (Roland Kilchenstein) wartet auf einen günstigen Moment, um endlich den Schnaps auf den Tisch zu bringen. Gerda (Britta Olbrich) spricht als einzige hochdeutsch und tut so, als wäre sie etwas Besseres. Zumindest glaubt sie ihren Mann (Josef Pömmerl) fest unter ihrem Pantoffel, bestehen seine Wortbeiträge zu ihren Kommentaren doch überwiegend aus einem schlichten »Ja, ja«. Doch der Gatte sitzt einige Plätze weit weg von ihr und nutzt die Gunst der Stunde, um die von ihrem Mann betrogene Hannelore (Anni Christ-Dahm) zu trösten. Dabei wird heftig unter dem Tisch gefüßelt und seine Hände scheinen fast an den feinbestrumpften Beinen zu kleben.

Interessiert an einem Techtelmechtel ist auch Willi (Manfred »Tschang« Jung), der sich herrliche Wortgefechte mit seiner Frau Anna (Maria Schiller) liefert. Allein diese wären schon den Eintritt wert. Annas zahl- und wortreich bekannt gegebene Lebensansichten über Küchenrezepte, Kirchensteuer, Politik, verpasste Chancen, die Männer im Allgemeinen, ihren Mann im Besonderen, das Leben vor und nach dem Tod sorgen immer wieder für Heiterkeit im Publikum.

Irgendwann nach dem Abendessen, das Sauerkraut beginnt gerade in den übervollen Bäuchen zu gären, platzt die Bombe auf der Bühne. Die Eltern des Konfirmanden schreien sich an, dass die Fetzen fliegen, jeder brüllt seine eigenen Unzufriedenheiten hinaus und alles »kommt von der Scheißsauferei«. Doch spätestens bei den Kuchenresten ist die Krise hübsch unter den Teppich gekehrt und als der Bub ins Bett geschickt wird, kann der Rest endlich »die Sau raus lassen«.

»Schweig, Bub!« ist ein zeitlos gesellschaftskritisches Stück, das die Kultburg frisch auf den Punkt gebracht hat. Regisseur Schramm hat ein gutes Händchen bewiesen und die Rollen optimal besetzt. »Ich hab’s schon im Fernsehn gesehn, aber das hier war noch besser«, resümierte eine Besucherin auf dem Heimweg. Live ist halt unübertrefflich.

Doris Huhn

»Komödie der Irrungen« ein selten gespieltes Stück von Shakespeare – Bayerischer Theaterspiegel 3/2007

»Komödie der Irrungen – ein selten gespieltes Stück von Shakespeare«

Da sitze ich nun in Alzenau an der bayerisch-hessischen Grenze im Burghof und harre der Dinge, die mit dem selten gespielten Stück von William Shakespeare auf mich zukommen. Gespannt bin ich auf den Inhalt des Stückes und der Art der Umsetzung – ist es doch nicht immer leicht, Shakespeare für den Normalzuschauer als leichte Kost zu präsentieren.

 

Ein witziges, charmantes, intelligentes und flüssiges Theater erlebe ich. Eine Glanzleistung des Alzenauer Theatervereins “kultBurG“.

Zwei Zwillingspärchen werden als Kinder getrennt – wobei ein Zwillingspärchen die Zwillings-Herren und ein Zwillingspärchen die Zwillings-Diener sind. Der Vater auf der Suche nach seinen Söhnen kommt in die Stadt, in der ein Zwilling mit seinem Zwillings-Diener lebt. Zur gleichen Zeit kommt auch der andere Zwilling mit seinem Zwillings-Diener in die Stadt. Aus der Konstellation der zwei Zwillingspärchen ergeben sich Irrungen, die alle Beteiligten an ihrem Verstand zweifeln lassen. Der Zuschauer kennt die Situation und amüsiert sich köstlich über die entstehenden Verwicklungen, wenn sich der falsche Zwillings-Diener mit dem falschen Zwillings-Herrn trifft.

Die Zwillings-Herren „Antipholus“, dargestellt von Matthias Wissel und Uwe Schramm agieren souverän in ihren Verwirrungen und Verzweiflungen – ihr nonverbales und verbales Spiel ließ keinen Zweifel aufkommen, dass es sich hier um „Amateur-Profis“ handelt. Eine besondere Augenweide waren aber die Zwillings-Diener „Dromio“, dargestellt von Sandra Majewski und Gabi Witteman. Jede Geste, jedes Wort, jedes verschmitzte Lächeln, jeder Hüpfer – einfach alles brachte den Zuschauer zum Lachen. Man spürte förmlich deren Lust zum Theaterspielen. Der Zuschauer war eins mit ihnen.

Wenn ich nun so euphorisch über diese vier Hauptdarsteller schreibe, soll damit keinesfalls die Leistung des übrigen Ensembles herabgewürdigt werden. Theaterspielen ist Teamarbeit – und hier war ein Spitzen-Team am Werke. Unzählige Kleinigkeiten in der Handlung rundeten das Gesamtbild ab.

Als Fazit kann ich feststellen, dass ich ein Theater erlebt habe, das eine Profi-Bühne nicht besser spielen kann. Der Theaterverein„kultBurG“ aus Alzenau hat mit seinem Regisseur Josef Pömmerl bewiesen, dass das Amateurtheater sich vor den Profis nicht zu verstecken braucht.

Mein Trip von Rosenheim nach Alzenau hat sich gelohnt.

 

Gerhard Berger

Landesspielleiter

»Der kleine Muck« bei den Burgfestspielen Alzenau – MainEcho vom 26. Juni 2007

»Güte siegt«

»Der kleine Muck« bei den Burgfestspielen Alzenau

ALZENAU. Kaum je war der kleine Muck fränkischer und wohl selten gemütlicher: Manfred Jung ist mit seiner stattlichen Figur und dem unüberhörbaren Zungenschlag ein knuddeliger Muck. Dessen aufregende Erlebnisse lassen in der Theaterfassung von Christian Hauffs Märchen mitfiebern, die seit gestern bei den Burgfestspielen Alzenau zu sehen ist.

 

Sieben Schauspieler des Amateurtheater-Vereins Kultburg zeigen das Stück für Kinder, dessen aufwändige Orient-Kostüme (Barbara Vogel-Hohm) und ein Kissen-Diwan auf der Bühne genügen, um den inneren Burghof in fernöstliche Gefilde zu verwandeln: Seidenblau raschelt, goldene Kettchen klimpern und der Schatzmeister streicht sich gern den schwarzen Ziegenbart.

Hier fristet Muck ein trauriges Dasein: Der Waise wird verspottet, fühlt sich allein und arm ist er auch noch. Erst als eine Zauberin (wandlungsfähig: Barbara Vogel-Hohm) sich seiner annimmt, wendet sich
scheinbar alles zum Guten, Muck kommt sogar an den Hof des Sultans (würdevoll: Heike Bösebeck). Doch zunächst scheitert er an der Boshaftigkeit des Herrschers und dessen Diener, des gefräßigen Kochs (meist kauend Sabine Reichhardt) und des Schatzmeisters, den Regisseurin Stefka Huelsz-Träger spielt. Doch weil Muck grundehrlich und herzensgut ist, ist er am – etwas abrupten – Ende der moralische Sieger, nachdem er den hochnäsigen Herrschern eine Lektion erteilt hat.

Die freut die Zuschauer: Dem Sultan wächst ein Rüssel, der Prinzessin lange Ohren (schön zickig: Maria Fleschhut), den Schatzmeister zieren Hasenzähne und den Koch ein Schweinsrüssel. Strafe folgt eben auf dem Fuß: Hätten sie mal besser nicht Muck gepiesackt, den höhere Mächte schützen. Der tierische Anblick bringt Kinder zum Quietschen – das Spiel dagegen fordert bisweilen Geduld, obwohl sich die Darsteller Mühe geben.

Christian Martins Version des Märchenstoffs lässt viel Raum für Spiel, der ob des langsamen Agierens und Stockens zwischen Szenen nicht immer glücklich gefüllt ist. Drei Spielplätze allein – neben der Bühne ist der Treppenaufgang zum Burgsaal Mucks Ort der Zwiesprache mit seinem toten Vater und hinter der gegenüberliegende Tür wohnt die Zauberin – machen noch kein pfiffiges Spiel. Nichtsdestotrotz: Die Stunde ist alles in allem schön anzuschauen – und es ist zu wünschen, dass es auch künftig nicht regnet, wenn Muck über den Sultan siegt.

 

Susanne von Mach

Das Theaterensemble Kultburg eröffnet mit »Die Komödie der Irrungen« die Burgfestspiele in Alzenau – MainEcho 26. Juni 2007

»Lehrstück mit Lerneffekt «

Das Theaterensemble Kultburg eröffnet mit »Die Komödie der Irrungen« die Burgfestspiele in Alzenau

ALZENAU. Shakespeare passt zu einer Aufführung in einem Burghof wie Wagner zu Bayreuth – und wenn das Shakespeare-Stück im Original »Comedy of Errors« heißt, dann sollte der Erfolg gesichert sein. Ist er auch tatsächlich, zeigte die Premiere von »Die Komödie der Irrungen« am Freitagabend im unteren Hof der Burg Alzenau. Die bis Mittwoch, 18. Juli andauernden Burgfestspiele mit einem Reigen aus Theater und Kleinkunst hatten also einen beklatschten Auftakt, allerdings noch kein Glanzlicht.

 

Handwerklich solide sind die Inszenierung des Stücks durch Regisseur Josef Pömmerl und die Aufführung – und das ist durchaus respektabel gemeint, schließlich inszeniert der Alzenauer Theaterverein Kultburg seine Stücke im Gegensatz zur starken Freilichtbühnen-Konkurrenz im Rhein-Main-Gebiet mit Laiendarstellern: Entsprechend dürfen die Inszenierungen nicht – beispielsweise – mit den Clingenburg-Festspielen in Klingenberg oder den Festspielen in Bad Vilbel verglichen werden. Allerdings gilt das auch umgekehrt: Alzenaus Burgfestspiele sind zuvorderst ein lokales Ereignis mit überregional bedeutsamen Tupfern – ein inszenierter Vergleich zum Beweis des Kulturstandorts Alzenau mit den Nachbarbühnen liefert das örtliche Ensemble nur einer ungerechtfertigten Erwartungshaltung aus, die nicht einzulösen ist.

Denn letztlich besteht das Ensemble aus Laien, und auch das ist nicht abwertend gemeint. Zweifellos von Vorteil ist da das Besinnen auf eine Komödie – und wenn es in der Eigenwerbung von Kultburg »in bewährter Weise« heißt, dann spricht das durchaus für die realistische Einschätzung des eigenen Könnens. Wer vergleichsweise selten auf der Bühne steht, will sich – verständlich – darstellen und das eigentliche Manko der Alzenauer »Die Komödie der Irrungen« ist der Hang der Statisten zur Theatralik: Gutes Schauspiel versteht die Natürlichkeit von Alltagshandlungen, Mimik und Gestik sind in der Regel keine Kraftmeiereien.

Umso mehr trüben solche Details den Gesamteindruck, wenn die Inszenierung nicht auf Kurzweil, sondern auf ausuferndes Spiel setzt. »Die Komödie der Irrungen« dauert ohne Pause etwa zweieinhalb Stunden, wobei Pömmerl die inhaltlich eher dünne Vorlage eben mit Massenszenen gleichermaßen aufzulockern wie aufzuwerten sucht: Da fällt beispielsweise im Monolog das Stichwort »Hexen« – und schon tauchen aus der Kulisse eben jene auf und inszenieren ein lebendes Bild. Immerhin: Das Stück wird in der Alzenauer Fassung also beherzt interpretiert und nicht einfach nur als Lehrstück hergenommen.

Dabei ist »Die Komödie der Irrungen« in seiner Entstehungszeit zwischen 1592 und 1594 tatsächlich eher ein Stück aus den Lehrjahren des William Shakespeare (1564 bis 1616) und steht der Posse näher als der reinen Komödie. Shakespeare greift dabei eine attische Komödie auf, die der römische Lustspielautor Plautus (254 bis 184 vor Christus) in seinen »Menaechmen« überliefert hat, wobei Shakespeare gegenüber der Vorlage das Zwillingsthema aber um der besseren Publikumswirksamkeit verdoppelt: Ein Kaufmann aus Syrakus hat eineiige Zwillinge zu Söhnen, die er beide Antipholus nennt. Zudem sind auch deren beide Diener eineiige Zwillinge mit dem gleichen Namen Dromio. Als die Söhne durch einen Schiffbruch voneinander getrennt werden, verschlägt es den einen mit Diener nach Ephesus, wo dieser ein angesehener Bürger und Ehemann wird. Der andere macht sich auf die Suche nach dem verlorenen Bruder und kommt mit seinem Diener nach Ephesus. Zwangsläufig nehmen auf den Straßen von Ephesus genau wie im Hause des Antipholus die Verwechslungen ihren Lauf: Dass dies letztlich auch der Liebe so abträglich wie bekömmlich ist, gehört zum Standard eines ordentlichen Lustspiels.

Kein Zweifel: Das doppelte Verwechslungsspiel macht »Die Komödie der Irrungen« im unteren Burghof sehenswert – vor allem wegen der Leistungen der Hauptdarsteller. Denen zuzusehen ist unterhaltsam – nicht einmal das bei der Premiere immens widrige Wetter mag hier den Spaß vermiesen. Dieses Wetter aber machte mit seiner Nässe und Kühle allerdings auch die tatsächlichen Längen des Stücks quälend bewusst.

Stefan Reis

»Die Komödie der Irrungen« nach William Shakespeare (170 Minuten inklusive Pause): Unterer Burghof Alzenau, Samstag 30. Juni und 7. Juli sowie Sonntag 1. und 8. Juli jeweils um 20.15 Uhr

Premierenkonzert des »kultBurG«-Projektchors im Michelbacher Schlösschen – 140 Zuschauer begeistert – MainEcho 28. Februar 2007

Pressebericht zum Konzert der kultBur(G)Raben

Premierenkonzert des »kultBurG«-Projektchors im Michelbacher Schlösschen – 140 Zuschauer begeistert

Alzenau-Michelbach. »Es wird Zeit Leute, jetzt wird gekrächzt«, mit diesen Worten schickte Moderatorin Marianne Hofmann am Sonntagnachmittag den Projektchor des Theatervereins kultBurG, die »kultBur(G)Raben«, auf die Bühne des Michelbacher Schlösschens. 140 Gäste ließen sich von dem zweistündigen Auftritt unter Leitung von Jürgen Wahl restlos begeistern.

 

Gekrächzt wurde dabei natürlich nicht, obwohl das Konzert unter dem Motto »Ein tierisches Vergnügen« eine ganze Reihe von Zwei- und Vierbeinern besang. Zur lockeren Stimmung insbesondere des zweiten Teils passten die Tier-Hausschuhe, die jeder der 18 Chormitglieder anhatte. Da tummelten sich Enten, Hunde, Fisch Nemo und andere Pelzgesichter auf der Bühne.

Humor und Chorgesang

Kleine Späße am Rande zeigten, dass hier Chorgesang erfolgreich mit Humor gepaart wird – auch außerhalb der Regieanweisungen. So versuchte bei »The lion sleeps tonight« der Tiger-Hausschuh von Dirk Würke immer wieder, den stattlichen Elch neben ihm zu überfallen… Es war ein Sonntags-Gute-Laune-Lieblingsstücke-Programm, das die »Raben« präsentierten, meist begleitet von Pianist Jens Nimbler. Der Erlös des Konzertes kommt dem Frankfurter Verein »Hilfe für krebskranke Kinder« zugute.

Idee entstammt Theaterbetrieb

Aus der Taufe gehoben wurde der Chor bei der Theaterarbeit. Nach Auftritten bei »1, 2, 3« und »Die drei Musketiere« hatten sich die fünf Sänger und 13 Sängerinnen entschlossen, weiterzumachen.

Pfiffig und aufwändig in Szene gesetzt waren die Auftritte der elf kultBurG-Kids, die das Konzert bereicherten. Vor allem im zweiten Teil gab es gleichberechtigt viel auf die Ohren und für die Augen. Das begann schon mit dem sauber gesungenen Renaissance-Stück »Der Floh« von Erasmus Widmann, bei dem die Kids sehr glaubhaft Flöhe auf ihrer Kleidung entdeckten und mit angewidertem Gesichtsausdruck zum Nachbarn fegten. Das Spiel wurde mühelos in die erste Reihe der Zuschauer fortgesetzt, in der einige kultBurG-Mitglieder mitspielten. Wen’s danach nicht selbst kribbelte und krabbelte, der hatte nicht aufgepasst!

Das Publikum kam aus dem Lachen nicht mehr heraus, denn danach wurde das Drama vom Lama gesungen und aufgeführt. Das Tier mit Spuck-Hemmung konnte einem ehrlich nur Leid tun! Krakelnd und spektakelnd setzten die Raben dann Peter Kreuders »Ich wollt’, ich wär ein Huhn in Szene, bevor sie fingerschnipsend »Zwei kleine Wölfe« zum Besten gaben.

Ringelnatz und Jandl

Philosophisch wurde es mit »Ein ganzes Leben« nach dem Gedicht von Joachim Ringelnatz über das Leben einer Eintagsfliege, die nach Ende des Stücks ein plötzlicher Tod auf der Glatze eines Sängers ereilte. Gekonnt führten die kultBurG-Kids Ernst Jandls »Ottos Mops« auf und ließen sich nicht von den sprachlichen Stolperfallen überrumpeln. Eine eigene Geschichte war dem Theaternachwuchs zu »Die süßesten Früchte« eingefallen, die viel Applaus erhielt. »Wir wollen niemals auseinandergehn« – das letzte offizielle Stück – brachte mit einem Liebespaar und schwingenden Feuerzeugen romantische Stimmung ins Schlösschen.

Und im ersten Teil? Füße stampfende und temperamentvoll singende Raben bei »Ausgerechnet Bananen«, hüftschwingende und kokettierende Damen beim »Itsy Bitsy Dingsdabumsda-Badeanzug«, die durch eine Tröte ironisch bewertete »Internationale« und kernige Beckenschläge bei »Rule Britannia«.

Am Schluss Riesenapplaus und zwei Zugaben, bei denen das Publikum die Aufnahmeprüfung für die kultBur(G)Raben spielend bestand, wie Chorleiter Jürgen Wahl scherzhaft feststellte. Nach dieser spritzigen Premiere steht dem zweiten Konzert des Chors absolut nichts mehr im Wege. Brav »gekrächzt«, Raben!

Doris Huhn

Kunstprofessor Heiner Blum fotografiert Alzenauer Bürger für die Frankfurter Uniklinik – MainEcho 28. Februar 2007

Verhaftet für die Kunst

Kunstprofessor Heiner Blum fotografiert Alzenauer Bürger für die Frankfurter Uniklinik

Alzenau/Frankfurt. »Schade, dass ihr keine abstehenden Ohren habt.« Als Fotomodell muss man sich an solche Bemerkungen wohl gewöhnen. Und wehren kann ich mich sowieso nicht. Schließlich trage ich Handschellen. Verhaftet für die Kunst: Heiner Blum, Professor für Experimentelle Raumkunst in Offenbach, hat am Wochenende in Alzenau 40 Menschen für das Kunstprojekt »Glücksmomente« fotografiert. Sie werden künftig Patienten und Besucher in der Frankfurter Uniklinik begrüßen. Die Klinik wird derzeit – von 2001 bis 2010 – für 245 Millionen Euro umgebaut.

 

Blum hatte für sein Projekt Menschen gesucht, die etwas miteinander zu tun haben, aber doch verschieden sind, was Alter, Herkunft und Gestalt angeht. Fündig wurde er beim Alzenauer Theaterverein Kultburg. »Die Vorstellung, dass hier ein Dorf zusammen Theater spielt, fand ich sehr reizvoll.« Wobei Alzenau natürlich kein Dorf ist, und der Verein mit seinen rund 50 Mitgliedern gerade einmal 0,25 Prozent der Einwohner umfasst. Den Kontakt hat Emilia Neumann hergestellt, Studentin an der Hochschule und Mitspielerin in der Theatergruppe. Sie hat auch die 40 Fotomotive geworben. Von jedem Freiwilligen musste sie eine genaue Beschreibung abgeben. Heiner Blum hat daraus Zweier- und Dreiergruppen gebildet, die nach einem exakten Zeitplan abgelichtet werden. Da Heiner Blum hierfür die Vereinsräume benutzen durfte, konnte er in zwei Tagen fotografieren, was sonst zwei Wochen gedauert hätte. Dazu hat er sich mit zwei Stylistinnen wortwörtlich »eingenistet«. In allen Räumen türmen sich Kisten und Kästen mit Requisiten. Mehrere Kleiderständer hängen voll mit Jacken und Kostümen. Auf einem Tisch türmen sich Hüte. Hinzu kommen Lebensmittel und all die Dinge, die drei Menschen für ein Wochenende benötigen. Der Probenraum hat sich in ein Fotoatelier verwandelt. Zwei Strahler sind an die Decke gerichtet, weißes Papier dient als Hintergrund. Zusammen mit Klaus Kolb, Angestellter bei Siemens in Erlangen, bilde ich die erste Zweiergruppe.

Heiner Blum

“Auf jedem Bild sollen die Menschen miteinander Kontakt haben.” (Heiner Blum)

Die Anweisung war, dass jeder so zum Termin zu kommen hatte, als wenn er einen Frühlingsspaziergang unternehmen würde. Man sollte weitere Kleidung zur Auswahl mitbringen. Aber die Wechselkleidung ist bei mir unnötig. »Perfekt«, meint Heiner Blum zu Cargohose und Daunenweste. Nur die Ärmel etwas hochgekrempelt – für die Handschellen.

Wir werden als Umrisse zu sehen sein. Fünf Zeichner werden die Fotos in Schattenrisse verwandeln, die mit Lasertechnik in Fensterscheiben gefräst werden. Sie sollen eine gläserne Brücke in der neuen Eingangshalle der Klinik zieren, die im Juli eröffnet wird. Dies dient auch als Sichtschutz für die Patienten, die zwischen Bettenhaus und Behandlungsräumen durchgeschoben werden.

Bei uns wird hingegen jedes einzelne Haar zu erkennen sein. Deswegen müssen meine Haare streng nach hinten gekämmt werden. Denn Ohren sind wichtig für den Eindruck. Mit Klammern werden die Haare gebändigt. Nur schlecht, wenn man widerborstiges Haar hat. Am Ende wird mit der Schere abgeschnitten, was sich nicht bändigen lässt. »Wie sieht das wohl hinterher aus, wenn wir die Haare wieder auflösen?«, überlegt die Stylistin. Was tut man nicht alles für die Kunst! Wir sollen die Betrachter freundlich grüßen, aber Heiner Blum will in jedes Bild einen kleinen Gegenpol einbauen. Es soll kein ungetrübtes Glück sein. Daher die Handschellen. Mit diesen kleinen Details will er erreichen, dass Patienten und Besucher auch auf dem dritten und vierten Blick Neues entdecken können.

HandschellenbildZunächst werden nur die gefesselten Hände fotografiert. Der Künstler sitzt auf einem Stuhl, mustert alles genau. »Hände etwas weiter auseinander«, lautet die Anweisung. »Finger weiter spreizen, Mittelfinger mehr nach oben.« Der fängt an zu zittern. Krampf im Mittelfinger. Also Hände ausschütteln und von vorn.

Dann die Gesamtaufnahme: »Stellt euch vor, ihr seid gerade aus dem Gefängnis ausgebrochen, habt euch neue Kleidung besorgt, und geht glücklich die Straße herunter. Und plötzlich begegnet ihr einem Polizisten. Wie grüßt ihr ihn?« Wie grüßt man in Handschellen einen Polizisten? Kopf leicht zur Seite, verlegenes Lächeln, zaghaftes Winken. »Gut so«, sagt Heiner Blum. »Links die Hand etwas runter, rechts ein Stück nach oben.« Foto! »Neues Angebot«, fordert er.

Gesamtbild HäftlingeAls wir endlich fertig sind, steht die ganze Fotoaktion erst am Anfang. Nach uns kommen die drei Damen im Morgenmantel und danach die Mutter mit dem zappelnden Kind. Das Ergebnis wird in etwa zwei Monaten zu sehen sein. Dann wird die Bildergalerie in der Uniklinik angebracht.

Josef Pömmerl
Foto: Peter Rogowsky
Informationen zum Umbau der Uniklinik: www.erweiterungsbau.kgu.de

Tsunami-Gedenken in Alzenau mit bewegenden Worten und Klängen – MainEcho 13. Januar 2007

Pressebericht über die Lesung “Khao Lak – Im Lande Deines Zuletztseins”

Tsunami-Gedenken in Alzenau mit bewegenden Worten und Klängen

Alzenau. Gut zwei Jahre nach dem Tsunami in Südostasien gedenken nicht nur dort Menschen der Toten. Es war eine globalisierte Katastrophe: Auch hierzulande verlor so mancher Freunde und Verwandte. Auf je eigene Art drückten am Freitag in den Räumen des Theatervereins »kultBurG« in Alzenau Heike Schäfer und Martina Bitz aus, was sie nach dem Tod geliebter Menschen bewegte.

Heike Schäfer las aus ihrem Buch »Khao Lak. Im Lande deines Zuletztseins«. Die empfindsamen Gedichte der gebürtigen Kahlerin pendeln zwischen dem Strand von Thailand und den Alpen, wo sie ihre Freundin kennen gelernt hatte. Das Warten, die Aufgewühltheit – die Gymnasiallehrerin verbindet ihre Gefühle mit tiefen Betrachtungen über Zeit und Natur. Im Wechsel dazu zauberte Martina Bitz bewegende Klänge aus ihrer Altblockflöte. Mollstücke von Bach oder Telemann machten nachdenklich, doch am Ende siegte die Hoffnung: Fast heiter wirkte van Eycks »Unter der grünen Linde«. Zuversicht sollen auch vom Tsunami betroffene Kinder schöpfen: Josef Pömmerl (kultBurG) kündigte an, mit den Spenden des Abends die Aktion Friedensdorf zu fördern.

Gedichte gegen das Vergessen

Kahlerin Heike Schäfer verlor eine Freundin im Tsunami Katastrophen erschöpfen sich für jene, die nicht betroffen sind, bald in abstrakten Opferzahlen und Fernsehbildern. Der Tsunami am zweiten
Weihnachtsfeiertag 2004 in Südostasien kostete Hunderttausende das Leben, auch viele Deutsche zählten zu den Opfern. Heike Schäfer, Lehrerin am Spessart-Gymnasium, hat einen Gedichtband
herausgebracht. Er beinhaltet Erinnerungen an eine Freundin, die bei der Katastrophe ihr Leben verlor: »Khao Lak. Im Lande deines Zuletztseins. Gedichte für Michaela«.

Heike Schäfer, in Aschaffenburg geboren und in Kahl aufgewachsen, lehrt seit September 2004 am Spessart-Gymnasium Deutsch, Englisch und Ethik. In den vier Jahren davor lebte und unterrichtete sie in Oberstdorf, wo ihr Kollegin Michaela Heigl-Ihler zur Freundin wurde. Ihr, die beim Seebeben am 26. Dezember 2004 das Schicksal von Abertausenden teilte, ist Schäfers Gedichtband gewidmet. Viele, deren Freunde oder Verwandte in den Fluten Südostasiens umkamen, werden die Phasen nachvollziehen können, die sich in Schäfers Texten widerspiegeln: Von der quälenden Ungewissheit der ersten Tage – »Darf man noch hoffen auf ein Wunder – Gott?« – bis zur Endgültigkeit schaffenden Urnenbeisetzung auf dem Friedhof. Trauer und Erinnerung an gemeinsame Tage kleidet Heike Schäfer in existenzielle Sprache und Bilder aus der Natur. Nicht die Strände Thailands, sondern die winterliche Allgäulandschaft spielt dabei eine wichtige Rolle: Vor ihrem Hintergrund entwickelte sich die Kollegenfreundschaft, die vor zwei Jahren ihr jähes Ende fand. Immer wieder scheint in den insgesamt 20 Texten die Hoffnung auf, dass die Freundschaft auch jetzt noch weiterlebt – etwa am »Brunnen der Wiederkehr«, der Fontana di Trevi in Rom.

Heike Schäfer schreibt sich den Verlust eines geliebten Menschen von der Seele und stemmt sich gegen ein »Zahlenschicksal«; ihre Texte bieten aber mehr als nur persönliche Erinnerung. Die Gedanken, die sie in kreativer Sprache aus sich herausschreibt, sind lesens- und nachdenkenswert nicht nur für alle, die ähnliches erlebt oder mitgefühlt haben.

Die Gedichte im jetzt erschienenen Band sind alle zwischen Ende 2004 und Anfang 2006 entstanden. Bereits in der Zeit von 1991 bis 1996 wurden lyrische Beiträge von Heike Schäfer in die Anthologe
»ZEITschrift« im Wolfgang Hager Verlag aufgenommen; im Dezember 2005 war sie in der Großen Lyrikanthologie »Jahrbuch für das neue Gedicht«, Frankfurt, vertreten.

Michael Hofmann

Khao Lak. Im Lande deines Zuletztseins. Gedichte für Michaela,
gebunden, 47 Seiten, ISBN-10: 3-9502211-2-3, ISBN-13:
978-3-9502211-2-1, Wolfgang Hager Verlag (Stolzalpe, Österreich),
15,50 Euro

Alexander Finkel rezitiert Heinrich Heine in der Burg – MainEcho 11. Dezember 2006

Ein umstrittener Dichter

Alexander Finkel rezitiert Heinrich Heine in der Burg

Alzenau. »Tag und Nacht gedichtet und habe nichts ausgerichtet« – diese Worte von Heinrich Heine gehen an der Wirklichkeit vorbei, tangieren sie nicht einmal. Denn hätte der Dichter, an dessen 150. Todestag in diesem Jahr gedacht wurde, wirklich nichts ausgerichtet, warum ist er dann so umstritten?

 

Was das Werk Heines auszeichnet, das konnte man am Samstagabend auf der Alzenauer Burg erkennen, als Alexander Finkel im Rittersaal Poesie von Heinrich Heine vortrug. Das Programm »Sehnsucht, Spott und Poesie« des gebürtigen Wormsers, der heute in Weimar lebt, brachte einen Querschnitt aus dem sehr umfangreichen und variationsreichen Werk des Dichters.

Da war Erotisches dabei, auch Gruseliges und zugleich Lustiges, etwa das Lied der Geister auf dem Friedhof, die alle durch die Liebe auf den Gottesacker kamen. Da gab es aber auch Gedichte, die einfach nur von der Gewalt der Bilder zeugten, die Wörter erzeugen können.

Es fehlte natürlich nicht der politische Heine, etwa in seinem Gedicht »Die Weber«, das unter dem Eindruck des schlesischen Weberaufstandes entstanden ist: »Deutschland, wir weben dein Leichentuch…« Dieses Gedicht war übrigens Pflichtlektüre für Schüler in der DDR, die Heine als ihren Dichter vereinnahmt hatte. Dabei war Heine vielleicht ein Freund von Karl Marx, aber nicht des Kommunismus, wie seine Briefe beweisen. Und seine Beliebtheit in der DDR hatte auch damit zu tun, dass man ihn durchaus anders verstehen konnte, als dies die Funktionäre taten.

Andererseits war er aber auch nicht jener »Vaterlandsverräter«, als der er im Westen gebrandmarkt wurde. Gab es doch noch vor wenigen Jahren heftigen Streit in Düsseldorf, als es darum ging, die Universität nach ihm zu benennen. Dabei war Heine bekennender Deutscher, aber eben ein kritischer Deutscher, wie dies auch in seinem bekanntesten Werk »Deutschland, ein Wintermärchen« anklingt, aus denen Finkel Teile als Zugabe rezitierte.

Und noch mit einem weiteren, oft gehörten falschen Zitat räumte Finkel auf. »Denk ich an Deutschland in der Nacht« – diese Worte leiten nicht etwa das »Wintermärchen« ein, sondern die »Nachtgedanken«. Und jenes Gedicht ist kein deutschlandkritisches Werk, sondern ein Liebesgedicht an seine Mutter.

Es waren diese Geschichten zu den Gedichten, die zusätzliche Farbe in die Veranstaltung brachten. Dabei hätte man gerne noch etwas mehr Hintergrund zu den einzelnen Werken erfahren. Dennoch hatte Finkel eine sehr offene, einfühlsame Art, die Gedichte zu erzählen. Seine Vortragsweise wechselte von dramatisch – eben »Theater fürs Ohr«, wie er seine Lesungen nennt – bis seidenweich.
Dabei ging er auch einmal rezitierend durch die Zuhörerreihen oder sprach einzelne Personen direkt an. Sehr wichtig war ihm der Kontakt mit den Zuhörern, die in der Pause und nach dem Programm mit ihm
diskutieren konnten.

Eingeladen zu der Lesung hatte der Alzenauer Theaterverein kultBurG, der damit eine Art Premiere feierte – erstmals kein eigenes Programm, sondern das Gastspiel eines auswärtigen Schauspielers. Schade war nur, dass dabei die Zuhörerzahl doch überschaubar blieb. Denen die da waren, hat es aber gefallen, wie der lang anhaltende Applaus bewies.

 

Josef Pömmerl