»Baden gehn« – MainEcho 09. Mai 2006

Das kleine Glück im alltäglichen Wahnsinn

Beachtliche Premiere des Theatervereins »kultBurG« im Waldschwimmbad Alzenau

Alzenau. »Das Leben ist schön« stand auf der Fahne, die am Ende der kultBurG-Premiere eine der Hauptaussagen des Stücks plakativ auf die Bühne brachte. Mit der neuesten Produktion unter der Regie von Uschi Jebe (Regieassistenz: Klaus Kolb) vermittelte die Truppe genau dieses Gefühl den 200 Zuschauern im Waldschwimmbad. Für die starke Gemeinschaftsleistung ernteten die 17 Darsteller nach dem zweieinhalbstündigen Familienspaß Riesenapplaus.

 

Das Stück »Baden gehn« des Gripstheater-Gründers Volker Ludwig vermittelt Emotionenpur – so realistisch geraten die vielen kleinen Happy Ends im ganz alltäglichen Berliner Wahnsinn, so klar wird am Ende, dass die Glücksmomente kein Dauerzustand sein können, sondern sehr schnell von der bitteren Realität eingeholt werden.

Und trotzdem: Das Leben ist schön an diesem herrlichen Frühlingsabend an einem ungewöhnlichen Aufführungsort. Gäste, die eine Decke oder Isomatte mitgebracht haben, sitzen vor der Bestuhlung in der allerersten Reihe. Knabbersachen werden ausgepackt, die Picknick-Atmosphäre passt hervorragend zum Stück. Dieses spielt in einem Berliner Freibad, das aus Sparmaßnahmen geschlossen wurde. Längst ist kein Wasser mehr im Becken. Eine Gruppe ganz unterschiedlicher Menschen gelangt trotz Absperrung auf das Gelände und ignoriert das wenig einladende Ambiente.

Immer öfter prallen aber in den Gesprächen Welten aufeinander, Streit bleibt nicht aus, ein Wort gibt das andere, die Arbeitslosen, die Ausländer, die Obdachlosen sind schuld, die Politiker sowieso. Und in der DDR war früher eh alles besser. Als eine Geldbörse verschwindet und eine geladene Pistole auftaucht, kippt die scheinbare Zweck-Gemeinschaft gefährlich . . .

Da ist das Frührentner-Ehepaar (Stefka Huelsz-Träger und Tschang Jung), das in eine Beziehungskrise gerät. Sie lässt den Frust von Jahrzehnten raus: »Ich hasse dich seit 30 Jahren. Ich verrecke neben dir!« Ganz andere Probleme hat die junge Russin (Isabell Ritter), die einen »reichen, alten Sack abschleppen« will, bevor ihr Visum abläuft. Die beiden Freunde John (Florian Zimmer) und Alex (Matthias Woltering) lecken ihre Wunden. Während Alex partout keine Frau findet, laufen sie John hinterher. Der gescheiterte High Tech-Fuzzi mit 30 000 Euro Schulden (»ein Königreich für einen Nervenkitzel!«) spielt aber Russisch Roulette mit seiner Smith & Wesson.

Erstaunlich klar sieht der Türke Ergün (Andreas Blaha). »Warum geht ihr eigentlich in blödes Bad ohne Wasser?«, fragt er. Anders als die vielen Arbeitslosen in der Gruppe (»God save Hartz IV«) hat er einen Job. Einer muss schließlich in die Rentenkasse zahlen – »und wenn’s die Türken sind«. Und dann ist da noch das Punkmädchen, das sich selbst den Namen Lea gibt (Anne Werner). Vertraulichkeit zeigt sie nur bei dem gestörten Leo (Heiko Bozem). Doch der Sinn des Lebens fehlt ihr schon lange. In weiteren Rollen glänzten: Judith Bösebeck, Vroni Hanakam, Larissa Träger, Melissa Schäfer, Sandra Alig, Hannah Jebe, Egon Pichl, Georg Heres und Martina Bitz.

Die Aufführung wurde durch eine Kooperation mit der Musikschule Alzenau bereichert. Die zum Stück gehörenden Lieder spielte die Gruppe »Tube«. Dazu sangen und tanzten die Mitglieder von »kultBurG.« Überzeugend unterstützten die musikalischen Beiträge die jeweilige Stimmung. Zu dem romantischen »Ich möchte ein Wal sein« schuf die Truppe eine Wunderkerzen-Atmosphäre auf der Bühne.

Höhepunkt des Abends war das Lied »Das Leben ist schön«, das als Zugabe wiederholt wurde. Nach dem Schlussapplaus schlich sich doch tatsächlich so etwas wie Wehmut ein – musste man doch die ganzen Figuren, die fast wie Freunde geworden waren, nun verlassen. Gerne hätte man weiter daran teilgenommen, was aus Leo und Lea wird, ob John seine Smith & Wesson noch mal lädt und ob Ergün wirklich seine eigene Reinigungsfirma aufmacht . . .

Doris Huhn

Nach den Aufführungen im Waldschwimmbad gibt es eine weitere Vorstellung im Schöllkrippener Naturerlebnisbad am Donnerstag, 25. Mai (Christi Himmelfahrt), um 18 Uhr. Vorverkaufsstellen sind das Bürgerbüro im Rathaus und Schreibwaren Ostheimer.