Das Theaterensemble Kultburg eröffnet mit »Die Komödie der Irrungen« die Burgfestspiele in Alzenau – MainEcho 26. Juni 2007

»Lehrstück mit Lerneffekt «

Das Theaterensemble Kultburg eröffnet mit »Die Komödie der Irrungen« die Burgfestspiele in Alzenau

ALZENAU. Shakespeare passt zu einer Aufführung in einem Burghof wie Wagner zu Bayreuth – und wenn das Shakespeare-Stück im Original »Comedy of Errors« heißt, dann sollte der Erfolg gesichert sein. Ist er auch tatsächlich, zeigte die Premiere von »Die Komödie der Irrungen« am Freitagabend im unteren Hof der Burg Alzenau. Die bis Mittwoch, 18. Juli andauernden Burgfestspiele mit einem Reigen aus Theater und Kleinkunst hatten also einen beklatschten Auftakt, allerdings noch kein Glanzlicht.

 

Handwerklich solide sind die Inszenierung des Stücks durch Regisseur Josef Pömmerl und die Aufführung – und das ist durchaus respektabel gemeint, schließlich inszeniert der Alzenauer Theaterverein Kultburg seine Stücke im Gegensatz zur starken Freilichtbühnen-Konkurrenz im Rhein-Main-Gebiet mit Laiendarstellern: Entsprechend dürfen die Inszenierungen nicht – beispielsweise – mit den Clingenburg-Festspielen in Klingenberg oder den Festspielen in Bad Vilbel verglichen werden. Allerdings gilt das auch umgekehrt: Alzenaus Burgfestspiele sind zuvorderst ein lokales Ereignis mit überregional bedeutsamen Tupfern – ein inszenierter Vergleich zum Beweis des Kulturstandorts Alzenau mit den Nachbarbühnen liefert das örtliche Ensemble nur einer ungerechtfertigten Erwartungshaltung aus, die nicht einzulösen ist.

Denn letztlich besteht das Ensemble aus Laien, und auch das ist nicht abwertend gemeint. Zweifellos von Vorteil ist da das Besinnen auf eine Komödie – und wenn es in der Eigenwerbung von Kultburg »in bewährter Weise« heißt, dann spricht das durchaus für die realistische Einschätzung des eigenen Könnens. Wer vergleichsweise selten auf der Bühne steht, will sich – verständlich – darstellen und das eigentliche Manko der Alzenauer »Die Komödie der Irrungen« ist der Hang der Statisten zur Theatralik: Gutes Schauspiel versteht die Natürlichkeit von Alltagshandlungen, Mimik und Gestik sind in der Regel keine Kraftmeiereien.

Umso mehr trüben solche Details den Gesamteindruck, wenn die Inszenierung nicht auf Kurzweil, sondern auf ausuferndes Spiel setzt. »Die Komödie der Irrungen« dauert ohne Pause etwa zweieinhalb Stunden, wobei Pömmerl die inhaltlich eher dünne Vorlage eben mit Massenszenen gleichermaßen aufzulockern wie aufzuwerten sucht: Da fällt beispielsweise im Monolog das Stichwort »Hexen« – und schon tauchen aus der Kulisse eben jene auf und inszenieren ein lebendes Bild. Immerhin: Das Stück wird in der Alzenauer Fassung also beherzt interpretiert und nicht einfach nur als Lehrstück hergenommen.

Dabei ist »Die Komödie der Irrungen« in seiner Entstehungszeit zwischen 1592 und 1594 tatsächlich eher ein Stück aus den Lehrjahren des William Shakespeare (1564 bis 1616) und steht der Posse näher als der reinen Komödie. Shakespeare greift dabei eine attische Komödie auf, die der römische Lustspielautor Plautus (254 bis 184 vor Christus) in seinen »Menaechmen« überliefert hat, wobei Shakespeare gegenüber der Vorlage das Zwillingsthema aber um der besseren Publikumswirksamkeit verdoppelt: Ein Kaufmann aus Syrakus hat eineiige Zwillinge zu Söhnen, die er beide Antipholus nennt. Zudem sind auch deren beide Diener eineiige Zwillinge mit dem gleichen Namen Dromio. Als die Söhne durch einen Schiffbruch voneinander getrennt werden, verschlägt es den einen mit Diener nach Ephesus, wo dieser ein angesehener Bürger und Ehemann wird. Der andere macht sich auf die Suche nach dem verlorenen Bruder und kommt mit seinem Diener nach Ephesus. Zwangsläufig nehmen auf den Straßen von Ephesus genau wie im Hause des Antipholus die Verwechslungen ihren Lauf: Dass dies letztlich auch der Liebe so abträglich wie bekömmlich ist, gehört zum Standard eines ordentlichen Lustspiels.

Kein Zweifel: Das doppelte Verwechslungsspiel macht »Die Komödie der Irrungen« im unteren Burghof sehenswert – vor allem wegen der Leistungen der Hauptdarsteller. Denen zuzusehen ist unterhaltsam – nicht einmal das bei der Premiere immens widrige Wetter mag hier den Spaß vermiesen. Dieses Wetter aber machte mit seiner Nässe und Kühle allerdings auch die tatsächlichen Längen des Stücks quälend bewusst.

Stefan Reis

»Die Komödie der Irrungen« nach William Shakespeare (170 Minuten inklusive Pause): Unterer Burghof Alzenau, Samstag 30. Juni und 7. Juli sowie Sonntag 1. und 8. Juli jeweils um 20.15 Uhr

Premierenkonzert des »kultBurG«-Projektchors im Michelbacher Schlösschen – 140 Zuschauer begeistert – MainEcho 28. Februar 2007

Pressebericht zum Konzert der kultBur(G)Raben

Premierenkonzert des »kultBurG«-Projektchors im Michelbacher Schlösschen – 140 Zuschauer begeistert

Alzenau-Michelbach. »Es wird Zeit Leute, jetzt wird gekrächzt«, mit diesen Worten schickte Moderatorin Marianne Hofmann am Sonntagnachmittag den Projektchor des Theatervereins kultBurG, die »kultBur(G)Raben«, auf die Bühne des Michelbacher Schlösschens. 140 Gäste ließen sich von dem zweistündigen Auftritt unter Leitung von Jürgen Wahl restlos begeistern.

 

Gekrächzt wurde dabei natürlich nicht, obwohl das Konzert unter dem Motto »Ein tierisches Vergnügen« eine ganze Reihe von Zwei- und Vierbeinern besang. Zur lockeren Stimmung insbesondere des zweiten Teils passten die Tier-Hausschuhe, die jeder der 18 Chormitglieder anhatte. Da tummelten sich Enten, Hunde, Fisch Nemo und andere Pelzgesichter auf der Bühne.

Humor und Chorgesang

Kleine Späße am Rande zeigten, dass hier Chorgesang erfolgreich mit Humor gepaart wird – auch außerhalb der Regieanweisungen. So versuchte bei »The lion sleeps tonight« der Tiger-Hausschuh von Dirk Würke immer wieder, den stattlichen Elch neben ihm zu überfallen… Es war ein Sonntags-Gute-Laune-Lieblingsstücke-Programm, das die »Raben« präsentierten, meist begleitet von Pianist Jens Nimbler. Der Erlös des Konzertes kommt dem Frankfurter Verein »Hilfe für krebskranke Kinder« zugute.

Idee entstammt Theaterbetrieb

Aus der Taufe gehoben wurde der Chor bei der Theaterarbeit. Nach Auftritten bei »1, 2, 3« und »Die drei Musketiere« hatten sich die fünf Sänger und 13 Sängerinnen entschlossen, weiterzumachen.

Pfiffig und aufwändig in Szene gesetzt waren die Auftritte der elf kultBurG-Kids, die das Konzert bereicherten. Vor allem im zweiten Teil gab es gleichberechtigt viel auf die Ohren und für die Augen. Das begann schon mit dem sauber gesungenen Renaissance-Stück »Der Floh« von Erasmus Widmann, bei dem die Kids sehr glaubhaft Flöhe auf ihrer Kleidung entdeckten und mit angewidertem Gesichtsausdruck zum Nachbarn fegten. Das Spiel wurde mühelos in die erste Reihe der Zuschauer fortgesetzt, in der einige kultBurG-Mitglieder mitspielten. Wen’s danach nicht selbst kribbelte und krabbelte, der hatte nicht aufgepasst!

Das Publikum kam aus dem Lachen nicht mehr heraus, denn danach wurde das Drama vom Lama gesungen und aufgeführt. Das Tier mit Spuck-Hemmung konnte einem ehrlich nur Leid tun! Krakelnd und spektakelnd setzten die Raben dann Peter Kreuders »Ich wollt’, ich wär ein Huhn in Szene, bevor sie fingerschnipsend »Zwei kleine Wölfe« zum Besten gaben.

Ringelnatz und Jandl

Philosophisch wurde es mit »Ein ganzes Leben« nach dem Gedicht von Joachim Ringelnatz über das Leben einer Eintagsfliege, die nach Ende des Stücks ein plötzlicher Tod auf der Glatze eines Sängers ereilte. Gekonnt führten die kultBurG-Kids Ernst Jandls »Ottos Mops« auf und ließen sich nicht von den sprachlichen Stolperfallen überrumpeln. Eine eigene Geschichte war dem Theaternachwuchs zu »Die süßesten Früchte« eingefallen, die viel Applaus erhielt. »Wir wollen niemals auseinandergehn« – das letzte offizielle Stück – brachte mit einem Liebespaar und schwingenden Feuerzeugen romantische Stimmung ins Schlösschen.

Und im ersten Teil? Füße stampfende und temperamentvoll singende Raben bei »Ausgerechnet Bananen«, hüftschwingende und kokettierende Damen beim »Itsy Bitsy Dingsdabumsda-Badeanzug«, die durch eine Tröte ironisch bewertete »Internationale« und kernige Beckenschläge bei »Rule Britannia«.

Am Schluss Riesenapplaus und zwei Zugaben, bei denen das Publikum die Aufnahmeprüfung für die kultBur(G)Raben spielend bestand, wie Chorleiter Jürgen Wahl scherzhaft feststellte. Nach dieser spritzigen Premiere steht dem zweiten Konzert des Chors absolut nichts mehr im Wege. Brav »gekrächzt«, Raben!

Doris Huhn

Kunstprofessor Heiner Blum fotografiert Alzenauer Bürger für die Frankfurter Uniklinik – MainEcho 28. Februar 2007

Verhaftet für die Kunst

Kunstprofessor Heiner Blum fotografiert Alzenauer Bürger für die Frankfurter Uniklinik

Alzenau/Frankfurt. »Schade, dass ihr keine abstehenden Ohren habt.« Als Fotomodell muss man sich an solche Bemerkungen wohl gewöhnen. Und wehren kann ich mich sowieso nicht. Schließlich trage ich Handschellen. Verhaftet für die Kunst: Heiner Blum, Professor für Experimentelle Raumkunst in Offenbach, hat am Wochenende in Alzenau 40 Menschen für das Kunstprojekt »Glücksmomente« fotografiert. Sie werden künftig Patienten und Besucher in der Frankfurter Uniklinik begrüßen. Die Klinik wird derzeit – von 2001 bis 2010 – für 245 Millionen Euro umgebaut.

 

Blum hatte für sein Projekt Menschen gesucht, die etwas miteinander zu tun haben, aber doch verschieden sind, was Alter, Herkunft und Gestalt angeht. Fündig wurde er beim Alzenauer Theaterverein Kultburg. »Die Vorstellung, dass hier ein Dorf zusammen Theater spielt, fand ich sehr reizvoll.« Wobei Alzenau natürlich kein Dorf ist, und der Verein mit seinen rund 50 Mitgliedern gerade einmal 0,25 Prozent der Einwohner umfasst. Den Kontakt hat Emilia Neumann hergestellt, Studentin an der Hochschule und Mitspielerin in der Theatergruppe. Sie hat auch die 40 Fotomotive geworben. Von jedem Freiwilligen musste sie eine genaue Beschreibung abgeben. Heiner Blum hat daraus Zweier- und Dreiergruppen gebildet, die nach einem exakten Zeitplan abgelichtet werden. Da Heiner Blum hierfür die Vereinsräume benutzen durfte, konnte er in zwei Tagen fotografieren, was sonst zwei Wochen gedauert hätte. Dazu hat er sich mit zwei Stylistinnen wortwörtlich »eingenistet«. In allen Räumen türmen sich Kisten und Kästen mit Requisiten. Mehrere Kleiderständer hängen voll mit Jacken und Kostümen. Auf einem Tisch türmen sich Hüte. Hinzu kommen Lebensmittel und all die Dinge, die drei Menschen für ein Wochenende benötigen. Der Probenraum hat sich in ein Fotoatelier verwandelt. Zwei Strahler sind an die Decke gerichtet, weißes Papier dient als Hintergrund. Zusammen mit Klaus Kolb, Angestellter bei Siemens in Erlangen, bilde ich die erste Zweiergruppe.

Heiner Blum

“Auf jedem Bild sollen die Menschen miteinander Kontakt haben.” (Heiner Blum)

Die Anweisung war, dass jeder so zum Termin zu kommen hatte, als wenn er einen Frühlingsspaziergang unternehmen würde. Man sollte weitere Kleidung zur Auswahl mitbringen. Aber die Wechselkleidung ist bei mir unnötig. »Perfekt«, meint Heiner Blum zu Cargohose und Daunenweste. Nur die Ärmel etwas hochgekrempelt – für die Handschellen.

Wir werden als Umrisse zu sehen sein. Fünf Zeichner werden die Fotos in Schattenrisse verwandeln, die mit Lasertechnik in Fensterscheiben gefräst werden. Sie sollen eine gläserne Brücke in der neuen Eingangshalle der Klinik zieren, die im Juli eröffnet wird. Dies dient auch als Sichtschutz für die Patienten, die zwischen Bettenhaus und Behandlungsräumen durchgeschoben werden.

Bei uns wird hingegen jedes einzelne Haar zu erkennen sein. Deswegen müssen meine Haare streng nach hinten gekämmt werden. Denn Ohren sind wichtig für den Eindruck. Mit Klammern werden die Haare gebändigt. Nur schlecht, wenn man widerborstiges Haar hat. Am Ende wird mit der Schere abgeschnitten, was sich nicht bändigen lässt. »Wie sieht das wohl hinterher aus, wenn wir die Haare wieder auflösen?«, überlegt die Stylistin. Was tut man nicht alles für die Kunst! Wir sollen die Betrachter freundlich grüßen, aber Heiner Blum will in jedes Bild einen kleinen Gegenpol einbauen. Es soll kein ungetrübtes Glück sein. Daher die Handschellen. Mit diesen kleinen Details will er erreichen, dass Patienten und Besucher auch auf dem dritten und vierten Blick Neues entdecken können.

HandschellenbildZunächst werden nur die gefesselten Hände fotografiert. Der Künstler sitzt auf einem Stuhl, mustert alles genau. »Hände etwas weiter auseinander«, lautet die Anweisung. »Finger weiter spreizen, Mittelfinger mehr nach oben.« Der fängt an zu zittern. Krampf im Mittelfinger. Also Hände ausschütteln und von vorn.

Dann die Gesamtaufnahme: »Stellt euch vor, ihr seid gerade aus dem Gefängnis ausgebrochen, habt euch neue Kleidung besorgt, und geht glücklich die Straße herunter. Und plötzlich begegnet ihr einem Polizisten. Wie grüßt ihr ihn?« Wie grüßt man in Handschellen einen Polizisten? Kopf leicht zur Seite, verlegenes Lächeln, zaghaftes Winken. »Gut so«, sagt Heiner Blum. »Links die Hand etwas runter, rechts ein Stück nach oben.« Foto! »Neues Angebot«, fordert er.

Gesamtbild HäftlingeAls wir endlich fertig sind, steht die ganze Fotoaktion erst am Anfang. Nach uns kommen die drei Damen im Morgenmantel und danach die Mutter mit dem zappelnden Kind. Das Ergebnis wird in etwa zwei Monaten zu sehen sein. Dann wird die Bildergalerie in der Uniklinik angebracht.

Josef Pömmerl
Foto: Peter Rogowsky
Informationen zum Umbau der Uniklinik: www.erweiterungsbau.kgu.de

Tsunami-Gedenken in Alzenau mit bewegenden Worten und Klängen – MainEcho 13. Januar 2007

Pressebericht über die Lesung “Khao Lak – Im Lande Deines Zuletztseins”

Tsunami-Gedenken in Alzenau mit bewegenden Worten und Klängen

Alzenau. Gut zwei Jahre nach dem Tsunami in Südostasien gedenken nicht nur dort Menschen der Toten. Es war eine globalisierte Katastrophe: Auch hierzulande verlor so mancher Freunde und Verwandte. Auf je eigene Art drückten am Freitag in den Räumen des Theatervereins »kultBurG« in Alzenau Heike Schäfer und Martina Bitz aus, was sie nach dem Tod geliebter Menschen bewegte.

Heike Schäfer las aus ihrem Buch »Khao Lak. Im Lande deines Zuletztseins«. Die empfindsamen Gedichte der gebürtigen Kahlerin pendeln zwischen dem Strand von Thailand und den Alpen, wo sie ihre Freundin kennen gelernt hatte. Das Warten, die Aufgewühltheit – die Gymnasiallehrerin verbindet ihre Gefühle mit tiefen Betrachtungen über Zeit und Natur. Im Wechsel dazu zauberte Martina Bitz bewegende Klänge aus ihrer Altblockflöte. Mollstücke von Bach oder Telemann machten nachdenklich, doch am Ende siegte die Hoffnung: Fast heiter wirkte van Eycks »Unter der grünen Linde«. Zuversicht sollen auch vom Tsunami betroffene Kinder schöpfen: Josef Pömmerl (kultBurG) kündigte an, mit den Spenden des Abends die Aktion Friedensdorf zu fördern.

Gedichte gegen das Vergessen

Kahlerin Heike Schäfer verlor eine Freundin im Tsunami Katastrophen erschöpfen sich für jene, die nicht betroffen sind, bald in abstrakten Opferzahlen und Fernsehbildern. Der Tsunami am zweiten
Weihnachtsfeiertag 2004 in Südostasien kostete Hunderttausende das Leben, auch viele Deutsche zählten zu den Opfern. Heike Schäfer, Lehrerin am Spessart-Gymnasium, hat einen Gedichtband
herausgebracht. Er beinhaltet Erinnerungen an eine Freundin, die bei der Katastrophe ihr Leben verlor: »Khao Lak. Im Lande deines Zuletztseins. Gedichte für Michaela«.

Heike Schäfer, in Aschaffenburg geboren und in Kahl aufgewachsen, lehrt seit September 2004 am Spessart-Gymnasium Deutsch, Englisch und Ethik. In den vier Jahren davor lebte und unterrichtete sie in Oberstdorf, wo ihr Kollegin Michaela Heigl-Ihler zur Freundin wurde. Ihr, die beim Seebeben am 26. Dezember 2004 das Schicksal von Abertausenden teilte, ist Schäfers Gedichtband gewidmet. Viele, deren Freunde oder Verwandte in den Fluten Südostasiens umkamen, werden die Phasen nachvollziehen können, die sich in Schäfers Texten widerspiegeln: Von der quälenden Ungewissheit der ersten Tage – »Darf man noch hoffen auf ein Wunder – Gott?« – bis zur Endgültigkeit schaffenden Urnenbeisetzung auf dem Friedhof. Trauer und Erinnerung an gemeinsame Tage kleidet Heike Schäfer in existenzielle Sprache und Bilder aus der Natur. Nicht die Strände Thailands, sondern die winterliche Allgäulandschaft spielt dabei eine wichtige Rolle: Vor ihrem Hintergrund entwickelte sich die Kollegenfreundschaft, die vor zwei Jahren ihr jähes Ende fand. Immer wieder scheint in den insgesamt 20 Texten die Hoffnung auf, dass die Freundschaft auch jetzt noch weiterlebt – etwa am »Brunnen der Wiederkehr«, der Fontana di Trevi in Rom.

Heike Schäfer schreibt sich den Verlust eines geliebten Menschen von der Seele und stemmt sich gegen ein »Zahlenschicksal«; ihre Texte bieten aber mehr als nur persönliche Erinnerung. Die Gedanken, die sie in kreativer Sprache aus sich herausschreibt, sind lesens- und nachdenkenswert nicht nur für alle, die ähnliches erlebt oder mitgefühlt haben.

Die Gedichte im jetzt erschienenen Band sind alle zwischen Ende 2004 und Anfang 2006 entstanden. Bereits in der Zeit von 1991 bis 1996 wurden lyrische Beiträge von Heike Schäfer in die Anthologe
»ZEITschrift« im Wolfgang Hager Verlag aufgenommen; im Dezember 2005 war sie in der Großen Lyrikanthologie »Jahrbuch für das neue Gedicht«, Frankfurt, vertreten.

Michael Hofmann

Khao Lak. Im Lande deines Zuletztseins. Gedichte für Michaela,
gebunden, 47 Seiten, ISBN-10: 3-9502211-2-3, ISBN-13:
978-3-9502211-2-1, Wolfgang Hager Verlag (Stolzalpe, Österreich),
15,50 Euro

Alexander Finkel rezitiert Heinrich Heine in der Burg – MainEcho 11. Dezember 2006

Ein umstrittener Dichter

Alexander Finkel rezitiert Heinrich Heine in der Burg

Alzenau. »Tag und Nacht gedichtet und habe nichts ausgerichtet« – diese Worte von Heinrich Heine gehen an der Wirklichkeit vorbei, tangieren sie nicht einmal. Denn hätte der Dichter, an dessen 150. Todestag in diesem Jahr gedacht wurde, wirklich nichts ausgerichtet, warum ist er dann so umstritten?

 

Was das Werk Heines auszeichnet, das konnte man am Samstagabend auf der Alzenauer Burg erkennen, als Alexander Finkel im Rittersaal Poesie von Heinrich Heine vortrug. Das Programm »Sehnsucht, Spott und Poesie« des gebürtigen Wormsers, der heute in Weimar lebt, brachte einen Querschnitt aus dem sehr umfangreichen und variationsreichen Werk des Dichters.

Da war Erotisches dabei, auch Gruseliges und zugleich Lustiges, etwa das Lied der Geister auf dem Friedhof, die alle durch die Liebe auf den Gottesacker kamen. Da gab es aber auch Gedichte, die einfach nur von der Gewalt der Bilder zeugten, die Wörter erzeugen können.

Es fehlte natürlich nicht der politische Heine, etwa in seinem Gedicht »Die Weber«, das unter dem Eindruck des schlesischen Weberaufstandes entstanden ist: »Deutschland, wir weben dein Leichentuch…« Dieses Gedicht war übrigens Pflichtlektüre für Schüler in der DDR, die Heine als ihren Dichter vereinnahmt hatte. Dabei war Heine vielleicht ein Freund von Karl Marx, aber nicht des Kommunismus, wie seine Briefe beweisen. Und seine Beliebtheit in der DDR hatte auch damit zu tun, dass man ihn durchaus anders verstehen konnte, als dies die Funktionäre taten.

Andererseits war er aber auch nicht jener »Vaterlandsverräter«, als der er im Westen gebrandmarkt wurde. Gab es doch noch vor wenigen Jahren heftigen Streit in Düsseldorf, als es darum ging, die Universität nach ihm zu benennen. Dabei war Heine bekennender Deutscher, aber eben ein kritischer Deutscher, wie dies auch in seinem bekanntesten Werk »Deutschland, ein Wintermärchen« anklingt, aus denen Finkel Teile als Zugabe rezitierte.

Und noch mit einem weiteren, oft gehörten falschen Zitat räumte Finkel auf. »Denk ich an Deutschland in der Nacht« – diese Worte leiten nicht etwa das »Wintermärchen« ein, sondern die »Nachtgedanken«. Und jenes Gedicht ist kein deutschlandkritisches Werk, sondern ein Liebesgedicht an seine Mutter.

Es waren diese Geschichten zu den Gedichten, die zusätzliche Farbe in die Veranstaltung brachten. Dabei hätte man gerne noch etwas mehr Hintergrund zu den einzelnen Werken erfahren. Dennoch hatte Finkel eine sehr offene, einfühlsame Art, die Gedichte zu erzählen. Seine Vortragsweise wechselte von dramatisch – eben »Theater fürs Ohr«, wie er seine Lesungen nennt – bis seidenweich.
Dabei ging er auch einmal rezitierend durch die Zuhörerreihen oder sprach einzelne Personen direkt an. Sehr wichtig war ihm der Kontakt mit den Zuhörern, die in der Pause und nach dem Programm mit ihm
diskutieren konnten.

Eingeladen zu der Lesung hatte der Alzenauer Theaterverein kultBurG, der damit eine Art Premiere feierte – erstmals kein eigenes Programm, sondern das Gastspiel eines auswärtigen Schauspielers. Schade war nur, dass dabei die Zuhörerzahl doch überschaubar blieb. Denen die da waren, hat es aber gefallen, wie der lang anhaltende Applaus bewies.

 

Josef Pömmerl

»Robinson soll nicht sterben« – MainEcho 05. Dezember 2006

Das erste abendfüllende Stück

Die »Kultburgkids« des Alzenauer Theatervereins mit »Robinson soll nicht sterben«

Alzenau. Mit »Robinson soll nicht sterben« von Friedrich Forster hatten sich die »Kultburgkids«, die Kindergruppe des Alzenauer Theatervereins, am Weihnachtsmarktwochenende einen Klassiker der Jugendliteratur vorgenommen.

»Robinson soll nicht sterben« ist das wohl bekannteste Buch von Friedrich Forster: Hinter diesem Pseudonym verbirgt sich der Schriftsteller, Schauspieler und Dramaturg Waldfried Burggraf (1895 bis 1958). Die Geschichte handelt von einer Gruppe Kinder, denen zu Hause Schläge drohen, als einer von ihnen Mister Pum, einem persönlichen Freund des Königs, beim Robinson-Crusoe-Spielen einen Pfeil in die Wade schießt. Die fünf Jungen brennen durch und wollen auf die Insel flüchten, auf der Robinson Crusoe angeblich gelebt hat.

 

Doch nicht ohne Sklavin, denn jemand muss schließlich putzen, waschen und kochen. Und so fangen sie die kleine Maud, die jedoch eine Freundin von Daniel Defoe, dem Autoren des Romans »Robinson Crusoe« ist. Der verarmte Mann ist ganz unglücklich, weil sein versoffener Sohn Tom ihm das Originalmanuskript von Robinson Crusoe gestohlen hat um es zu Geld zu machen.

Natürlich wollen die Kinder dem Autoren ihres Romanhelden helfen, und mit dem Ruf »Robinson soll nicht sterben«, gelingt es ihnen tatsächlich, Tom Defoe in einer verruchten Kneipe zu fangen und bis
vor den König zu schleppen. Und dieser hilft dann schließlich allen, verschafft Daniel Defoe einen gesicherten Lebensabend, seinem Sohn Tom Gelegenheit zur Reue und bewahrt die Kinder vor den ihnen drohenden Schlägen.

Erstmals spielten die 16 Schüler zwischen 10 und 14 Jahren mit 90 Minuten Länge ein abendfüllendes Stück. Mit dem langen Text hatten die Kinder dann doch einige Probleme, schauspielerisch hingegen konnten sie mit ihrem Talent brillieren Das gilt nicht nur für Hauptrollen, sondern auch für kleine Nebenrollen. Es war wohl die bisher professionellste Inszenierung der Gruppe, die seit Sommer 2002 existiert.

Für immerhin fünf Kinder war es sogar ihr erster öffentlicher Auftritt. Dennoch hatten alle unter der Regie von Gertrud Englert-Schauer und Stefka Huelsz-Träger ihre Rollen im Griff.

Wie Gertrud Englert-Schauer bei der Begrüßung betonte, wurde mit der Aufführung im Lokal »Schwanen« eine alte Tradition fortgeführt. Früher hatte jede Gaststätte in Alzenau noch einen Saal mit Bühne für derartige Veranstaltungen – jetzt sei die Bühne im Schwanen die letzte ihrer Art. Ihr Dank galt daher der Gastwirtsfamilie Sittinger für die Überlassung des Raumes sowie dem Obst- und Gartenbauverein, der die Kulissen zur Verfügung und extra aufgestellt hatte.

Bericht zur Jahreshauptversammlung – MainEcho 17. November 2006

Pressebericht zur Jahreshauptversammlung

Dichtes Programm
Theaterverein Kultburg plant 2007 fünf Inszenierungen

Alzenau. Mindestens fünf Inszenierungen plant der Theaterverein Kultburg im kommenden Jahr. Dies wurde bei der Hauptversammlung am Dienstag deutlich. Hinzu kommen noch einige andere Veranstaltungen. Dabei war der Verein schon im vergangenen Jahr nicht untätig. Sieben Stücke wurden im Zeitraum eines Jahres gespielt, so viele wie noch nie zuvor, sagte Vorsitzender Josef Pömmerl in seinem Bericht. Der Vorsitzende regte aber an, künftig wieder mehr interne Aktionen zu starten, um den Zusammenhalt im Verein zu stärken.

 

Aus diesem Grunde wurde auch beschlossen, bei den Burgfestspielen 2007 nur zwei Stücke anzubieten: ein Kinderstück im oberen Burghof und ein großes Abendstück im unteren Burghof. Zwar bestehe von Seiten der Stadt Alzenau die Forderung, drei Stücke zu spielen, doch sah die Versammlung es als vernünftiger an, die Kräfte zu bündeln. Dies auch gerade im Hinblick auf den hohen Erwartungsdruck, der von Seiten der Stadt aufgebaut wird. Als Abendstück wurde »Die Komödie der Irrungen« von William Shakespeare vorgeschlagen; Regie wird Josef Pömmerl übernehmen. Das Kinderstück wird wieder Stefka Huelsz-Träger inszenieren.

Stammregisseurin Uschi Jebe steht im Sommer nicht zur Verfügung, da sie ein internationales Theaterprojekt am Spessart-Gymnasium leiten wird. Sie möchte aber 2007 wieder für die Zeit zwischen den Jahren ein Stück anbieten. Uwe Schramm will im Herbst 2007 »Schweig Bub« von Fitzgerald Kusz inszenieren und plant dabei eventuell eine Wiederaufnahme des Stückes »Letzter Wille« des gleichen Autors. Josef Pömmerl hat ebenfalls zwei Stücke in Planung, die für das Frühjahr 2007 (»Misery« von Stephen King) und 2008 vorgesehen sind. Szenische Burgführungen sind am 6. und 7. Mai sowie 6. und 7. Oktober.

Die nächste Veranstaltung wird jedoch die Kindergruppe des Vereins bestreiten. Zum Alzenauer Weihnachtsmarkt vom 1. bis 3. Dezember werden die Kinder täglich um 18.30 Uhr im Saal des Gasthauses »Zum Schwanen« das Stück »Robinson darf nicht sterben« aufführen. Am Samstag, 9. Dezember, um 19 Uhr ist im Rittersaal der Burg Alzenau eine Lesung mit Gedichten von Heinrich Heine. Alexander Finkel aus Weimar wird sein Programm »Sehnsucht, Spott und Poesie« zum 150. Todestag Heines präsentieren. Eine weitere Lesung mit Gedichten ist für Anfang 2007 geplant. Zum ersten Mal mit einem Soloprogramm ins Licht der Öffentlichkeit tritt der Kultburg-Chor bei einem Konzert am 25. Februar im Michelbacher Schlößchen. Neben einigen Liedern aus den Inszenierungen»1,2,3« und »Die drei Musketiere« wird Chorleiter Jürgen Wahl dafür eigens Stücke einstudieren. Die Kindergruppe wird die Lieder szenisch umsetzen. Ein Benefiz-Konzert mit einer Mittelalter-Band ist für Freitag, 5. Mai, in der Burg Alzenau vorgesehen.

Bei Wahlen wurden Vorsitzender Josef Pömmerl, Kassiererin Andrea Munder und Schriftführerin Dr. Heike Bösebeck bestätigt. 2. Vorsitzende ist Sandra Majewski, die Anni Christ-Dahm in diesem Amt
ablöst. Die Vertreter der Jugend- und Kindergruppe im Vorstand, Florian Zimmer und Stefka Huelsz-Träger, wurden ebenso bestätigt wie die Kassenprüfer Klaus Kolb und Katharina Wilz.

Intern plant der Verein vor Weihnachten einen Ausflug zum Christkindlsmarkt nach Nürnberg sowie zu Jahresbeginn einen Besuch der Ausstellung »Picasso und das Theater« in Frankfurt. Zudem sind drei Seminare vorgesehen: Neben allgemeinem Theaterspiel noch zu den Themen »Clownstheater« und »Stunts«.

»Drei Mal Leben« – MainEcho 19. Juli 2006

»Drei Mal Leben«

Yasmina Rezas »Drei Mal Leben« in Alzenau

Alenzau. Ein Mann, eine Frau, ein Kind. Eine scheinbar völlig normale Familie stellt die Autorin Yasmina Reza in ihrem Stück »Drei Mal Leben« auf die Bühne. Das Kind schreit, weil es nicht schlafen will, der Mann ist ob des Gebrülls gestresst und die Frau genervt, weil sie ihre Akte für den nächsten Tag noch durchsehen will. Als der Streit der Eheleute zum immer wieder kehrenden Kindergeschrei eskaliert, klingelt es an der Tür: Der Chef des Mannes steht mit Gattin davor – einen Tag zu früh. Was folgt, sind Szenen zweier Ehen, voller subtiler und weniger subtiler Andeutungen, voller peinlicher Entgleisungen, Anfeindungen und Machtspielchen, die schließlich in offenen Hasstiraden gipfeln.

Der Alzenauer Theaterverein kultBurG hat sich unter anderem dieses Stück, das schonungslos das diffizile Beziehungsgeflecht der vier Kontrahenten mit all ihren missgünstigen, egozentrischen und rücksichtslosen Charaktereigenschaften frei legt, für die diesjährigen Theaterfestspiele auf der Burg ausgesucht.

Ausgezeichnete Schauspieler

Eine nicht ganz glückliche Wahl. Denn selbst die ausgezeichnet agierenden Schauspieler können die langatmige Handlung nicht retten. Insgesamt dreimal treffen die zwei Ehepaare in dem als schwarzer Kasten gestalteten Wohnzimmer aufeinander. Erhellt wird der kleine karge Raum nur durch vier weiße Ledersessel und drei auf dem Boden liegenden Kugellampen sowie einem Milchstraßenbild an der Rückwand (Bühne: Emilia Neumann, Klara Jebe). Jedesmal geht es darum, dass der gestresste Vater und Wissenschaftler Henri auf eine Beförderung hofft, aber gleich zu Beginn von dem einflussreichen Ranghöheren Hubert Finidori mitgeteilt bekommt, dass soeben eine andere Veröffentlichung zu seinem Thema erschienen ist. Jahrelange Forschungsarbeiten erscheinen plötzlich umsonst gewesen zu sein. Dreimal ändert Yasmina Reza an der Grundkonstellation nur Nuancen – mal reagiert Henri auf diese Mitteilung völlig aufgelöst, das andere Mal lässt er sich selbstbewusst durch nichts aus der Ruhe bringen – und gibt dem Geschehen einen neuen Verlauf.

Das könnte psychologisch sowie darstellerisch durchaus spannend sein, wäre das Stück nicht stellenweise so langweilig. Da weder das Bühnenbild noch die Handlung, die ausschließlich auf Dialogen aufbaut, keine Abwechslung oder gar Action bietet, hätte eine deutliche Komprimierung der zwar elegant-geschliffenen, aber häufig einfach zu langen Dialoge gut getan. Zudem hätte Regisseurin Uschi Jebe ihre Schauspieler zu mehr Tempo anspornen müssen. So liegt der Schwerpunkt der Inszenierung auf den ironisch-komödienhaften Einlagen, für die die zwischenmenschlichen Verstrickungen reichlich Raum bieten und die den vier Schauspielern gewollt peinlich-lustig gelingen.

Britta Olbrich spielt die von Mann und Kind genervte Karrierefrau Sonja herrlich kühl-berechnend, Jens Schneider als deren Ehemann Henri gelingt vor allem die notwendige Metamorphose vom unsicher-überforderten Wissenschaftler zum coolen Macher gut. Roland Kilchenstein als Hubert Finidori ist ein glaubhafter (und verfressener) Macho, der auf der einen Seite seine Ehefrau vor versammelter Mannschaft herunter putzt und auf der anderen Seite geckenhaft Henris Gattin nachstellt. Zu wahrer Höchstform läuft Marianne Hofmann als Ines Finidori im Laufe des Abends auf. Sowohl das gehorchende Heimchen am Herd, für die eine Laufmasche schon eine Katastrophe ist, als auch die Alkoholikerin, die sich vor den Demütigungen ihres Mannes in den Wein flüchtet, mimt sie ausgezeichnet.

Fassade bröckelt behutsam

Immer wieder blicken die beiden Frauen verständnisheischend ins Publikum, das in dem sehr kompakten Oberen Burghof ohnehin schon ganz nah an der Bühne sitzt, und beziehen es so in ihr Spiel mit ein. Ob man will oder nicht, man wird zum Beobachter, wie die sorgsam aufgebaute Fassade zweier Paare erst behutsam bröckelt und dann krachend einstürzt. Nur manchmal bleibt einem ob der Bitterkeit und der Missgunst, die da auf der Bühne dargestellt werden, das Lachen im Halse stecken.

Nina-Anna Beckmann

Weitere Vorstellungen: 20., 23., 25. und 27. Juli, jeweils 20 Uhr

»Der Nackte Wahnsinn« – MainEcho 18. Juli 2006

»Der Nackte Wahnsinn«

Toll, dass alles schief läuft!
Theaterverein »kultBurG« spielt »Der nackte Wahnsinn« bei Burgfestspielen

Der Schlussapplaus ist nicht unbedingt ein guter Gradmesser für die Qualität des Stücks respektive der Schauspieler. Denn sobald sich eine Aufführung der Drei-Stunden-Marke nähert, hält der Beifall meist nicht lange. Da bedarf es anderer Kriterien, die vom Wohlgefallen der Zuschauer zeugen – und derer hat es am Freitag in Alzenau reichlich gegeben: Applaus, Gelächter, Freudenquietscher und Entsetzensseufzer begleiteten Michael Frayns »Der nackte Wahnsinn«, den der Theaterverein »kultBurG« bei den Burgfestspielen Alzenau veranstaltete.

 

Die fetzige, temporeiche Komödie setzt beim Alptraum jeden Schauspielers und Regisseurs an: der sprichwörtlichen Generalprobe, bei der alles schief läuft. Doch damit gibt sich der Engländer Frayn nicht zufrieden, denn um wie viel schwärzer wird ein solcher Alptraum, wenn die Schauspieler in heimlichen Beziehungen und heimeligen Beziehungskisten verfangen sind!

Spannend ist bei einem solchen Alptraum natürlich nicht nur, welche Szenen sich während der Probe auf, sondern vor allem, welche sich während einer Tournee hinter der Bühne abspielen – und, im übertragenen Sinne, vor und hinter den Türen: Voilà, zweiter Akt. Aus zwei Perspektiven ergeben sich dieselben Kollisionen, doch zunehmend verschärft: Denn Chaos hinter impliziert einen Alptraum auf der Bühne – der Komödie dritter Teil.

Die Laien-Schauspieler agieren in Doppelrollen; vier charakterstarke Männer und fünf entschiedene Frauen stolpern in Verwirrungen munter übereinander, spannen mit Missverständnissen Fallstricke, stehen sich mit Wissen und Nicht-Wissen-Wollen im Weg. Roger Kihn als gebräunter Gigolo im weißen Anzug, der nur als Schauspieler Garry, nicht aber als Privatmann Roger einen flüssigen Satz über die Lippen bringt, ergänzt sich mit Heike Wissel als tussihafter Brooke, die als Privatfrau Vicky mit dem Regisseur alias Uwe Schramm zugange ist, zu einem herrlichen Paar. Doch halt! Der hält sich auch die graue Maus Poppy (Carolin Gündling), die als Regieassistentin den Fußabtreter geben muss. Garry alias Roger ist zudem heimlich mit Mrs. Clackett alias Dotty liiert, die Anni Christ-Dahm als schlappmäulige Hausfrau spielt. Dieses Geflecht durchschaut natürlich nur eine Frau: Sandra Alig hat sowohl als seriöse Belinda wie auch als klatschsüchtige Privatfrau Flavia den Durchblick, während Florian Zimmer als ihr korrekter Gatte Frederick vor der Steuerfahndung flieht und privat als Philip mit Liebeskummer kämpft. Dazwischen begeistern Manfred Jung und Gabi Wittemann mit ihren prägnanten Auftritten als verschlafener Selsdon und stolzer Einbrecher sowie als Bühnenmeisterin und Privatfrau Kim. Was höchst kompliziert klingt, ist es auch – aber vor einer geschickten Kulisse mit Türen, die sich von zwei Seiten zeigen, rasant und schlüssig inszeniert. Regisseur Josef Pömmerl lässt seinen verzweifelten Kollegen im Stück hinter, neben und vor den Zuschauerreihen agieren, ganz wie bei einer echten Theaterprobe. Jeder Zuschauer schwankt so zwischen heillosem Entsetzen – dem vor unterdrücktem Zorn bebenden Schramm gleich – und haltloser Gaudi.

Das Treiben entwickelt sich immer mehr zur rasanten Verfolgungsjagd. Die ist immer witzig und gewollt heftig, aber bisweilen doch so lang und dick aufgetragen, dass der klug gelöste Bühnenumbau vor dem auf einem Schiff spielenden dritten Akt – ein Seemann spielt Schifferklavier – unverdient abrupt wirkt. Einerlei: Die Zuschauer rasten vor Begeisterung – und ach ja, wie schön, dass nackte Haut wenigstens beim Laientheater noch ein Aufreger ist.

Susanne von Mach

Weitere Vorstellungen: Freitag, 21., und Samstag, 22., Freitag, 28., und Samstag, 29. Juli, jeweils um 20.30 Uhr

»Kasper und das lebendige Märchenbuch« – MainEcho 11. Juli 2006

»Kasper und das Lebendige Märchenbuch«

Moderne Welt: Kasper schickt der Königin eine SMS Premiere des ersten Kinderstücks bei den Alzenauer Burgfestspielen: 150 junge Menschen gestern mittendrin

Alzenau. Erstmals präsentierte der Theaterverein kultBurG bei den Alzenauer Burgfestspielen neben den beiden Inszenierungen für Erwachsene auch ein eigenes Kinderstück. Mit »Kasper und das lebendige Märchenbuch« von Klaus-Dieter Theis gelang ein absoluter Familienspaß, der bei der Premiere am Montagmorgen im oberen Burghof von den 150 kleinen und großen Zuschauern mit viel Beifall bedacht wurde.

 

»Das ist wirklich ein witziges Märchen«, ruft ein Mädchen schon nach wenigen Minuten lachend in die Runde. Kindergartenkinder sowie Erst- und Zweitklässler finden die temporeiche Geschichte toll, die geschickt Märchenwelt und Technologie des 21. Jahrhunderts verbindet. Letztere ist auch das größte Problem der Königin (herrlich genervt: Sabine Reichardt). Ihr Sohn Max sitzt den lieben langen Tag vor dem Fernseher, dem Computer, der X-Box oder der Playstation. Die Kinder kichern – das Problem ist ihnen wohl bekannt. Ein Fax an den Kasper konnte Hoheit nicht losschicken – weil Sohnemann sie nicht an den PC ließ.

Maria Fleschhut gibt den frechen Jungen zeitgemäß lässig in weiten Hosen, Karohemd, umgedrehter Baseballkappe und losem Mundwerk: Wegen dieser Kleinigkeiten »macht die Alte so ein Theater«. Als Kasper auftaucht (Stefka Huelsz-Träger mit mächtiger Nase und rot-gelbem Kostüm, die auch Regie führt) verabschiedet sich die Königin wegen »Staatsgeschäften«. »Die geht jetzt in Urlaub«, prusten die Mädchen und Jungen. »Voll ätzend« findet der Königsspross die Maßnahme, den Kasper als Kindermädchen abzustellen.

Weil das königliche Märchenbuch so langweilig ist und Max es vor Zorn auf den Boden pfeffert, wirft er dabei einige Märchenfiguren aus dem Buch und damit in sein Leben hinein. Den Auftritt der Hexe Abrax (Barbara Vogel-Hohm) findet Max ja noch okay (»geil ey, jetzt kommt endlich Stimmung auf«), wobei er glaubt, dass sie eher aus dem Altersheim kommt als aus dem Buch. Max fährt voll ab auf das fesche Rotkäppchen (Carmen Reichenbach). Doch als der Wolf (Manfred Jung) über die Bühne tobt (oder ist es doch eher Bruno, der Problembär, wie man im Publikum munkelt), da ist Schluss mit lustig. Mit dem Riesen Urgund (Heike Bösebeck) ist schließlich sein Albtraum da. Wie kommt er bloß aus dieser verflixten Situation heraus?

Bei den Versuchen von Kasper, Max zu befreien, helfen die Alzenauer Kinder kräftig mit. Wenn die Stimmung teilweise auch etwas zu laut wird, hilft ein Machtwort des Kaspers: »Warte mal ab, bis ich gebabbelt hab’, sonst haben wir hier ein Problem«, sagt er zu einem besonders eifrigen Dazwischenschwätzer. Die Kinder helfen mit Tipps und raten Kasper beim Erscheinen der Hexe: »Versteck dich!«, was dieser entrüstet von sich weist: »Für was für einen Feigling haltet ihr mich eigentlich?«. Zwei besonders Mutige tragen der Hexe Holzscheite vor den Hauseingang. Doch wofür eigentlich? Kasper leiht sich schließlich bei den Erwachsenen ein Handy aus, um der Königin eine SMS zu schreiben – die Kinder hatten ihre Handys alle zu Hause.

Wie das Märchen ausgeht wird hier natürlich nicht verraten, schließlich gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Vorstellungen für kleine und große Theaterfans. Nur so viel: Wer bereits eine Karte hat, kann sich schon in Vorfreude üben, wer noch keine besitzt, sollte sich schnellstens um eine bemühen.

Doris Huhn

Restkarten sind für die Vorstellungen noch vorhanden. Gespielt wird bis einschließlich Mittwoch, 26. Juli, täglich von Montag bis Freitag um 10 Uhr. Karten gibt es im Vorverkauf beim Städtischen Verkehrsamt, 06023/ 502-112.