Gott – MainEcho vom 19. Juni 2003

»Ein gutes Stück, alles was ihm fehlte, war ein Schluss!«

Umjubelte Premiere der Woody-Allen-Komödie »Gott« bei den Alzenauer Burgfestspielen. Stück im Stück mit einer Prise Lokalkolorit

Alzenau. »Mein Gott, war das gut«, bemerkte begeistert eine Frau auf dem Nachhauseweg und wischte sich seufzend eine letzte Lachträne aus den Augenwinkeln. So beziehungsreich äußerten sich viele Besucher nach der Premiere der Woody-Allen-Komödie »Gott« am Freitagabend bei den Alzenauer Burgfestspielen.

Wieder entführte der Theaterverein »kultBurG« in das antike Griechenland, doch

ganz anders war dieses Stück unter der Regie von Josef Pömmerl als das ebenfalls höchst gelungene Auftaktwerk »Lysistrata«, das aus der Feder des griechischen Dichters Aristophanes stammt.

Das eher unbekannte Werk »Gott« lässt zu Beginn des Stücks (der eigentlich auch der Schluss ist) den Schauspieler Diabetes und den angehenden Star-Dichter Hepatitis (erstklassig: Jens Schneider und Johannes Schaack) in Verzweiflung darüber verfallen, weil ihnen kein Schluss für das Stück von Hepatitis einfällt, denn schließlich: »Alles in der Natur hat Anfang, Mitte und Schluss.« Worauf Hepatitis zweifelnd fragt: »Und der Kreis?«

Aus »schrecklichen Orten« » Leute, habt ihr nicht irgend welche Ideen?«, werden schließlich die Gäste gefragt, worauf prompt der Rüffel folgt: »Hör auf, mit dem Publikum zu reden!« Denn, »die da« sind schließlich aus Hörstein, Albstadt oder aus irgendwelchen anderen »schrecklichen Orten.«

Auf der Suche nach einer Philosophie-Studentin (»macht’s was, wenn’s die Frankfurter Uni ist?«) wird man unter den Zuschauern fündig. Die quicklebendige und ständig einen Orgasmus suchende Doris aus Hanau (Tanja Huber mit Esprit) ruft ihrer Freundin im Publikum noch schnell zu »Ich hab’ was mit ‘nem Griechen laufen« und schon ist sie im Stück. Sie ist es auch, die für die pfiffige Erfindung von Trichinosis (Andy Eul) den tollen Namen »Deus ex machina« erfindet und das damit begründet, dass ihr Vater bei Singu-lus arbeitet.

Mittlerweile rebelliert das Publikum im unteren Burghof. »Das ist ein doofes Stück«, schimpft eine Frau lautstark und eilt zum Ausgang, worauf Lorenzo Müller (Josef Pömmerl), der das Publikum erfand, zufrieden bemerkt: »Ich schrieb sie extrem wütend.«

Auch Anrufe bei Woody Allen (Florian Zimmer) bringen den mittlerweile schon ganz verzweifelten Hepatitis nicht zu einem guten Schluss. Irgendwann weiß niemand mehr, ob er noch real ist oder nur erfunden, ob Gott lebt oder tot ist und ob die Göttermaschine nun 26,50 Euro oder Mark pro Stunde kostet.

Doch schließlich steht der Uraufführung des Stücks »Der Sklave« beim Athener Dramenfestival nichts mehr im Wege. Ein Chor (einfach köstlich: Anja Munder, Emilia Neumann und Anna Iaquinta) geben dem Publikum klare Anweisungen für den Grad des Applauses. Die Geschichte des Sklaven Phidipides (auch Jens Schneider) beginnt mit einem Zufall: Klara (Katharina Wilz im Dirndl) und Reiner Zufall (Tobias Graupner in Hawaiihemd und sächselnd) offerieren dem Sklaven in urkomischer Art und Weise für das Überbringen einer Botschaft an den König die Freiheit und ein 16-teiliges Silberbesteck. »Mach schon, du Pflaume«, drängt der Chor den Überlegenden, »das Stück hängt durch!« Phidipides würde gerne helfen, doch »ich hab´ einen Braten im Ofen«, stammelt dieser. Als der Sklave schließlich zusagt, singt der Chor ausgelassen: »Jawoll, meine Herrn, so haben wir es gern`.«

Zeus ist tot

Nach vielen weiteren Turbulenzen bricht die Gottmaschine wegen technischen Defekts dem verehrten Zeus (Michael Woschek) das Genick das Stück gerät vollends aus den Fugen. »Improvisiert den Schluss«, heißt es nun. Hepatitis jammert, weil die echte Botschaft seines Stücks nun nicht mehr rüber kommen kann. »Wenn Sie eine Botschaft übermitteln wollen, wenden Sie sich an die Post«, lautet die Auskunft und lustig klingelnd radelt eine Postbotin auf die Bühne.

Im großen Finale bevölkern zu den Klängen von »YMCA« auf einmal die unterschiedlichsten Figuren die gesamte Szenerie. Romeo und Julia von den Burgfestspielen des vergangenen Jahres rennen durch das Publikum, Lara Croft und Eminem suchen nach Bösewichtern und Opfern, Harlekin und Cheerleaders geben sich die Ehre. Diabetes tröstet Hepatitis nicht wirklich mit dem Satz: »Es war ein gutes Stück, alles was ihm fehlte, war ein Schluss.«

Doch den größten Lacherfolg erzielt am Ende von »Gott« das unerwartete Erscheinen eines …, doch halt, das gucken Sie sich am besten selbst an, live und vor Ort, vielleicht auch im Stück selbst, denn was ist schon Realität und was Fiktion? Regisseur Josef Pömmerl und dem über 20-köpfigen »kultBurG«-Ensemble gelang es, mit »Gott« ein turbulent-witziges Stück auf die Bühne zu bringen, das nach gewohnter Woody-Allen-Manier die drei Themen Sex, Tod und Philosophie auf satirische Weise verarbeitet. Dabei wurde dem Werk eine solch umwerfende Portion sprühenden Lokalkolorits beigemengt, dass die Anspielungen von Aschaffenburg bis Frankfurt für viele zusätzliche Lacher sorgten. Die Situation, ein Stück im Stück zu sehen, das zudem noch von Figuren, die nicht zu diesem Stück gehören, »gestört« wird, kam großartig beim Publikum an und wurde mit donnerndem Applaus belohnt.

Doris Huhn

Es war die Lerche – MainEcho vom 15. Juni 2002

Nach Jahren liebt Romeo nur noch Wärmflasche Lisa

Köstliches Theatervergnügen in Alzenau mit »kultBurG« und Ephraim Kishons »Es war die Lerche«

Alzenau. Exakt 29 Jahre und acht Monate sind sie verheiratet, und das sind exakt 29 Jahre und acht Monate zu viel. Schon am Frühstückstisch fliegen die Fetzen, Nettigkeiten wie »Vollkretin« und »Abfallprodukt der Menschheit« werden zum Kaffee gereicht und am Ende stehen entweder die Scheidung oder ein Mord.

 

Die Rede ist von dem berühmtesten Liebespaar der Welt, Romeo und Julia, das Ephraim Kishon in seiner herrlichen Komödie »Es war die Lerche« weiterleben lässt. Seine Einblicke in das Eheleben der beiden nach besagter Zeitspanne sind alles andere als romantisch, bringen allerdings den Rittersaal, in dem das Stück als zweite Veranstaltung der Alzenauer Burgfestspiele von dem Verein »kultBurG« aufgeführt wird, vor Lachen ins Schwanken.

Mit diesem zweiten Werk wollten die Verantwortlichen das erste Stück, Shakespeares Original, ergänzen und gleichzeitig einen Kontrast setzen. Das ist bestens gelungen. Das 90-minütige Werk, das Ursula Jebe in einer großartigen Regieleistung auf die Bühne gebracht hat, verläuft in flottem Tempo, spritzige Dialoge und immer wieder umwerfende Situationskomik unterhalten das Publikum glänzend.

Die sechs Darsteller, allen voran die umwerfende Marianne Hofmann als Julia und der souveräne Josef Pömmerl als drittklassiger Ballettlehrer, verwischen die Grenzen zwischen Laien- und Profitheater mit ihrem Spiel. Großes Lob auch an Klaus Kolb, der Shakespeare mimt, Emilia Neumann, die aufmüpfige Tochter von Romeo und Julia mit Namen Lucretia, Uwe Schramm, der erneut den nun stark gedächtnisgeschädigten Pater Lorenzo verkörpert sowie Rita Mengele in der Rolle der geschwätzigen Amme, die der Weiberheld Romeo mehr begehrt als seine ehemals so geliebte Julia.

Genial gelöst wurde die räumliche Situation im Rittersaal. Die kleinen Nischen dienen als Schlafzimmerersatz, Bad oder Jugendzimmer, aus dem immer wieder Gitarrenklänge erschallen (Musik Sebastian Hennecke). Quer über eine Seite zieht sich eine Wäscheleine mit baumwollenen langen Unterhosen Marke »Nieder-mit-der-Erotik«.

Der Wecker klingelt. Während Momo (ja, richtig, Romeos Kosename) seine Schlafsocke von den Augen zieht, kümmert sich Julia um Schadensbegrenzung in Sachen Make up. Und als ihr Romeo die Verse aus früheren Zeiten deklamiert (»Sprich noch einmal, du holder Engel, du«) meint sie nur hörbar genervt: »Lass doch die alten Geschichten«. Doch es kommt noch schlimmer. Die 14 Jahre alte Tochter Lucretia (»in deinem Alter war ich fast schon Witwe«), offensichtlich auf dem Selbstverwirklichungstrip, schleudert ihrem Vater statt einem gesitteten »Guten Morgen« ein alternatives »Ich verachte dich« entgegen und fügt mit einem süßen Lächeln an »Alter Trottel«, worauf hin ihr Vater artig pariert: »Mein kleines Strichmädchen«.

Lichtblicke im Veronesischen Zuhause bringt für Romeo der Besuch der Amme, die zwar ? das Alter fordert seinen Tribut ? schwerhörig ist, aber wunderbare Rundungen besitzt, die der ausgehungerte Romeo genießt. Und während Romeo ihr gesteht, dass Julia frigide ist, beichtet diese Pater Lorenzo, dass ihr Mann na, was wohl, impotent ist. Ja, wäre sie nur vor 29 Jahren nicht zu früh aufgewacht, dann hätte Romeo tot zu ihren Füßen gelegen »wirklich schade«!

»Du hast ein Sexproblem«, erkennt denn auch der fromme Pater und rät Julia voll Weisheit: »Geh in ein Kloster, da gibt es viele junge Mönche«. Außerdem soll sie beten, ein »Pater Noster dreimal täglich« oder wie das Ding noch mal hieß und Julia fragt ehrfürchtig: »Vor oder nach den Mahlzeiten«.

Wahrhaft schockierend sind die Offenbarungen Julias über Romeos wahres Intimleben. Seit Jahren unterhält er schon eine Liebesbeziehung zu einer Wärmflasche namens Lisa »und er schläft jede Nacht mit ihr. Was hat sie, was ich nicht habe?« fragt sich die verzweifelte Ehefrau.

Noch einmal eine Überraschung beschert im Stück das Erscheinen von William Shakespeare persönlich, dem das Treiben seiner Figuren im Grab keine Ruhe gelassen hat und sie nun »an Sitte und Anstand gemahnen möchte«. Der Meister selbst ist ebenfalls von der Erinnerung her nicht mehr ganz sattelfest und so mischt er munter Zitate und Personen aus seinen zahlreichen Werken bunt durcheinander, was ein besonderen Spaß für Kenner seiner Lustspiele und Tragödien ist. »Immer diese Textanleihen aus anderen Stücken«, beschwert sich Julia deshalb bei ihrem Mann. Doch dieser zuckt nur die Achseln: »Was willst du machen, er hat das Copyright!«

Ordentlich Kontra geben die beiden ihrem Schöpfer als sie endlich mal zu Worte kommen. »Maestro, Sie sind ein Massenmörder!«, kritisieren sie seine von Leichen geprägten Werke. Und außerdem möchten Romeo und Julia jetzt genau wissen, ob er wirklich der Autor der ihm zugeschriebenen Stücke ist (»Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage«).

Liebe auf den ersten Blick ist es aber, als der Dichter-Geist und die junge Lucretia aufeinander-treffen. Sie findet ihn ganz cool, er ist bezaubert von ihrer Schönheit und hebt unablässig Tempo-Taschentücher auf, die sie ihm lässig vor die Füße wirft. »Ich will mit Willy auf einen Trip gehen und dann mit ihm schlafen«, verkündet sie selbstbewusst ihren Eltern, worauf Papa Romeos einziger Kommentar ist: »Erst machst du deine Hausaufgaben!«

Trotz ungewöhnlichster Aufführungstermine (Mitternachts- und Frühstückstheater) sind bereits jetzt alle weiteren Veranstaltungen ? auch die beiden Zusatzveranstaltungen ? restlos ausverkauft. Dass Bedarf für ein Sommertheater in Alzenau besteht, dürfte damit nach dem Jubiläumstheaterstück im vergangenen Jahr endgültig feststehen. Der Verein »kultBurG« hat dabei ein sehr sicheres Händchen in der Stückauswahl bewiesen. Viele schlummernde Talente konnten entdeckt und mobilisiert werden. Und so steht der Name der Gruppe nicht nur für Kultur, sondern mittlerweile auch für echten Theater-Kult. Die Stadt Alzenau ist damit um eine funkelnde Facette reicher geworden.

Doris Huhn

Romeo und Julia – MainEcho vom 10. Juni 2002

Heiter erotischer Totentanz mit strikter Rollenteilung

Die Gruppe »kultBurG« eröffnete am Freitag mit Shakespeares »Romeo und Julia« die Alzenauer Burgfestspiele 2002

Alzenau. Da hatten wohl die vielen bangen Blicke, die am Freitag gen Himmel gesandt wurden, und die Stoßgebete an Petrus geholfen: Die Premiere von »Romeo und Julia«, zugleich der Auftakt der Burgfestspiele Alzenau 2002, wurde von keinem Tröpfchen Regen getrübt. Und so gab es im Burghof große Unterhaltung mit der berühmtesten Liebestragödie der Welt. Nach über drei Stunden spendete das begeisterte Publikum allen Beteiligten stürmischen Applaus.

 

»Nein, ich bin nicht Romeo«, stellte Helmut Schuhmacher, Stellvertretender Bürgermeister von Alzenau, eingangs klar. Er erinnerte in seiner Begrüßung daran, dass sich im September vergangenen Jahres nach dem Erfolg der Aufführungen des Stücks »Lukas, der Silberschmied von Alzenau« eine Theatergruppe gegründet hat. Hauptanliegen von »kultBurG« ist es, regelmäßiges Open-Air-Theater in der Burg anzubieten. Schuhmachers Dank galt dabei vor allem Josef Pömmerl, der nicht nur Regisseur der Alzenauer Inszenierung von »Romeo und Julia« ist, sondern auch eine neue Übersetzung des Shakespeare-Stücks geliefert hat, die sich wohltuend von der weithin bekannten romantisierten Schlegel/Tieck-Übersetzung abhebt.

Dabei setzte die Alzenauer Inszenierung stark auf zwei Hauptmerkmale Shakespear’scher Dichtkunst. Da ist zum einen der zeitlose Humor, der erst zum Schluss der Tragödie vom Trauerspiel überdeckt wird. Zum anderen weckten die Dialoge zumindest eine leise Ahnung der oftmals derben sexuellen Anspielungen, die der englische Schriftsteller im Überfluss benutzte. Die Sommertheater-Sprache ist modernisiert und gut verständlich, bisweilen sogar neusprachlich (»Ist das nicht Scheiße, Alter?«).

Sicher, für etwas Verwirrung sorgte anfänglich die Tatsache, dass alle Capulet-Rollen mit Frauen und alle Montagues mit Männern besetzt wurden und das nicht, weil bei »kultBurG« Überschuss im männlichen oder weiblichen Sektor herrscht, sondern weil sich Romeo und Julia »kontrageschlechtlich« verhalten, wie es im Programmheft formuliert ist. Während Julia selbstbewusst ihre Gefühle auslebt und nicht die brave, angepasste Tochter ist, steht Romeo ständig vor einem Nervenzusammenbruch, den er letztlich schluchzend und wimmernd durchlebt. »Deine Tränen sind die einer Frau« muss er sich von Pater Lorenzo anhören.

Drei Stunden können die Zuschauer den Ausflug in das Verona vor 400 Jahren genießen. Vor einer überaus praktischen Kulisse (Jakob Flörchinger) entwickelt sich das Spiel um die beiden zerstrittenen Familien. Die speziell für das Stück in Auftrag gegebenen Kostüme sorgen für ein authentisches Gefühl. Wunderschön sind die Gewänder und mit vielen Details versehen, bestickt, gerafft, geschnürt oder mit Spitzen verbrämt.

Wie beim »Silberschmied« steuert auch dieses Jahr »Alia Musica«, ein Ensemble für historische Musik aus Frankfurt, den stilgerechten musikalischen Rahmen bei. Zusätzliche Effekte bringen historische Tänze (Choreografie Marion Emmert) und teils heftige und sehr echt in Szene gesetzte Fechtkämpfe, die von Emil Hartmann einstudiert wurden. Ein ganz dickes Lob gilt aber der 30-köpfigen Schauspieltruppe, die seit Januar geprobt hat. Alle trugen ein Stück zum Erfolg des Stückes bei. Vor allem das Pärchen Romeo und Julia bewältigte seinen schwierigen Part bravourös. Zur Premiere traten Katharina Wilz und Tobias Graupner auf, die Rolle teilen sie sich aber mit Regina Kilchenstein und Florian Munder, die ebenfalls dreimal auftreten werden.

Die Schüler aus der Theatergruppe des Spessart-Gymnasiums fanden den richtigen Ton und die richtige Körpersprache, um das berühmteste Liebespaar der Welt natürlich und ungestelzt auf die Bühne zu bringen. Katharina Wilz verkörperte eine Julia, der sicher noch ganz viele Romeos aus dem Publikum gerne den Hof gemacht hätten. Einige Darsteller, die wegen überdurchschnittlicher Leistungen im Ensemble auffielen, seien ebenfalls namentlich erwähnt. Da ist zunächst einmal die Amme. Gabi Wittemann ist scheinbar für diese Rolle geboren. Herrlich wie sie Schwatzhaftigkeit und geschicktes Verzögern beim Preisgeben einer Nachricht vereinte. In den Reihen von Romeos Verwandtschaft setzte Heiko Bozem als Mercutio Akzente. Dieser Typ, der den lieben, langen Tag »nur Schweinereien im Kopf hat«, klopfte einige der wohl eindeutig zweideutigsten Sprüche, ohne mit der Wimper zu zucken. Und da war noch der souveräne Uwe Schramm als Pater Lorenzo, der zunächst hofft, mit schlauer Umsicht die Fäden des Geschehens in der Hand zu halten, der aber dann erkennen muss, dass sie ihm entglitten sind.

Belebend für das Geschehen war, dass sich die Spielszenen immer wieder in den gesamten Zuschauerraum ausdehnten. Da traten ganze Gruppen vom Burgtor her auf, da erschien Romeo an einem geöffneten Fenster des Gerichts, oder eine wilde Fechtszene wurde auch schon mal vor der ersten Reihe ausgetragen. Die Ereignisse im zweiten Teil des Stückes wurden außerdem reizvoll durch die anbrechende Nacht untermalt: eine Szene auf der Bühne, die nur von einem Scheinwerfer erhellt wird, macht sich besonders gut, wenn zugleich noch echte Schwalben Sturzflüge proben. Und die Dramatik, die von einer Menschenmenge ausgeht, die mit echten Fackeln zur Gruft eilt, ist mit Open-Air-Atmosphäre deutlich gesteigert. Der berühmte Satz »Es war die Nachtigall und nicht die Lerche« war natürlich im idyllischen Burghof besonders gut am Platze.

Restkarten für die Vorstellungen von »Romeo und Julia« am 14., 15., 16. und 21. Juni, jeweils um 20 Uhr, sind beim Verkehrsamt der Stadt Alzenau erhältlich unter 06023/502-112.

Doris Huhn

Trainspotting – MainEcho vom 5. November 2002

Selbstzerstörerischer Trip durch sinnentleerte Welt aus Drogen, Sex und Gewalt

Theaterverein »kultBurG« mit »Trainspotting« in Wasserlos (K)ein Antidrogenstück

Alzenau-Wasserlos. Von »cool« über »abgefahren« bis zu »drogenverherrlichend« fiel das Urteil der jugendlichen Zuschauer über das neue Stück des Theatervereins »kultBurG« aus. Auch bei einem Teil des erwachsenen Publikums blieb ein schaler Nachgeschmack: War »Trainspotting« wirklich ein Antidrogenstück? Oder machte es nicht vielmehr durch das ungenierte Zurschaustellen des Umgangs mit Drogen und der überzeugenden Vorstellung von der fantastischen Wirkung Appetit auf Heroin und Co?

 

Unter der Regie von Ursula Jebe brachten in der Hahnenkammhalle ehemalige Mitglieder des Grundkurses »Dramatisches Gestalten« am Spessart-Gymnasium und Mitglieder von »kultBurG« in 90 Minuten »Trainspotting« auf die Bühne. Das Stück basiert auf dem 1993 erschienenen gleichnamigen Roman des schottischen Autors Dany Boyle. Verfilmt wurde der Stoff, der den Alltag einer Clique von Heroinabhängigen in einer Vorstadt von Edinburgh beschreibt, drei Jahre später. Sowohl Buch als auch Verfilmung sorgten seinerzeit für konträre Reaktionen.

Fäkalsprache und schwarzer Humor Die Ankündigung der Alzenauer Theaterfreunde, dass der Besuch der Veranstaltung wegen einiger Textstellen sowie der Darstellung von Gewalt und Drogen erst für Zuschauer ab 16 Jahren geeignet war, hatte im Vorfeld bei manchem Jugendlichen eher für erwartungsvolle Vorfreude gesorgt: Sollte man hier noch etwas lernen? Und tatsächlich stieg man hier mit extremen Dialogen ein und führte diese über 90 Minuten fort, die auch nicht in entschärfter Version zitiert werden können. Da mutete das »sexistische Arschloch« unter den ganzen f- und w- und v-Wörtern aus der Gosse noch harmlos an. Flott ging den Akteuren die Fäkalsprache über die Lippen und flott war auch die Vermischung der Schilderung des Drogenalltags mit einem tüchtigen Schuss schwarzen Humors. Aber sollte man wirklich die Schilderung eines Süchtigen, der in seiner eigenen Sch… auf einer vollkommen verdreckten öffentlichen Toilette wühlt, um an das gerade ausgeschiedene Opiumzäpfchen zu gelangen und dies mit blumigen Worten und untermalenden Gesten beschreibt, mit einer Prise Situationskomik würzen?

Gefährlich harmlos Szenenlang setzten sich die jungen Leute einen Schuss auf offener Bühne, um danach mit verklärtem Gesicht zu beschreiben, wie easy und entspannt sie sich nun fühlten (»totaler Wahnsinn«). Und Philosoph Mark (Thomas Scharwies in einer grandiosen schauspielerischen Leistung) könnte glatt eine Stelle als Drogen-Werbebeauftragter annehmen, wenn er nicht gerade dem »normalen« Leben abgedankt hätte: »Ich hab zum Ja-Sagen nein gesagt!« »Was gibt dir der Stoff? Ich will’s mal kapieren«, drängt ihn Tommy (Heiko Bozem). Und Mark erklärt: »Damit kommt mir alles wirklicher vor. Das Leben ist so scheißlangweilig.

Keine Antworten auf die wirklich großen Fragen.« Dabei bezeichnet er Heroin als » ehrliche Droge, weil sie die ganzen Illusionen einfach über den Haufen wirft. Ändert Bewusstsein nicht, gibt nur einen Kick.« Gefährlich harmlos waberte dieser Satz durch die Hahnenkammhalle, alles klang so verlockend, so einfach. Und wer unter den Jugendlichen hatte nicht selbst schon genau dieses »Scheiß-auf-die-Welt-Gefühl« verdammt gut gespürt, dieses tiefe, schwarze Loch der Selbstfindung? »Junk stopft das Loch und befriedigt den Selbstzerstörungstrieb« heißt es dazu.

Neben Drogen geht es in den mehr oder weniger kurzen Szenen in »Trainspotting« um Gewalt und Sex. Da steht ein Typ (Christian Woltering) am Rande der Bühne und zielt mit einem Gewehr ins Publikum (»Die nennen mich sick boy. Ich knall mir das Hirn zu«). Ein anderer schlägt seine schwangere Freundin und denkt dabei: »Hoffentlich hat sie meine 501 gewaschen.« Das allgemeine Null-Bock-Gefühl lässt sich an vielem festmachen. »Wir werden von Staatskrüppeln regiert und was sind wir dann?«

Der Dealer ist der König unter den Drogenabhängigen, dem mancher auf Scherben entgegenrobben würde für einen Schuss. Das Thema AIDS und Kondome wird mit Verachtung abgetan (»Ist doch alles scheiß-safer heute« und »Warum nicht das Schicksal herausfordern, dann wüsste ich wenigstens, dass es mich noch gibt«). Lösungen oder Alternativen zeigt »Trainspotting« nicht auf. Den Drogenentzug mit Methadon (»Suchtbefriedigung aus dem Staatssäckel«) bricht Mark ab und wird daheim von seiner alkoholsüchtigen Mutter in seinen Halluzinationen begleitet.

Am Ende trägt die Clique Tommy zu Grabe, der sich einen goldenen Schuss gesetzt hat. Donnernder Applaus Danach donnernder Applaus für alle Akteure, die vielleicht ihr schwierigstes Stück auf die Bühne gebracht haben neben den bereits Erwähnten: Florian Munder, Tobias Graupner, Alexander Klawitter, Kathrin Meyer-Oschatz, Regina Kilchenstein, Julia Raffler, Barbara Vogel-Hohm, Friedericke Thomalla, Katharina Wilz und Inge Meyer.

Doris Huhn

Letzter Wille – MainEcho vom 28. Oktober 2002

Alzenau. Ein Kabinettstückchen schwarzen Humors präsentierte der Theaterverein kultBurG mit seiner neuen Produktion, Fitzgerald Kuszs Komödie “Letzter Wille”. Das genial von Uwe Schramm inszenierte Laientheater, das allen fünf Veranstaltungstagen ausverkauft war und ist, (am Donnerstag war Premiere, heute steigt die letzte Vorstellung im Maximilan- Kolbe-Haus) setzte neue Maßstäbe für Laientheater. Bei der achtköpfigen Truppe saß der Text

Der letzte Wille – MainEcho vom 28. Oktober 2002

Alzenau. die Menükarte erhielten die Gäste bereits an der Eingangstür überreicht, und sie enthielt nicht weniger als 23 Gänge á la carte! Im Laufe des zweieinhalbstündigen Abends wählten die Anwesenden mit sicherem Geschmack die Reihenfolge des zu servierenden und wohlschmeckenden Angebots und konnten danach gestärkt den Nachhauseweg antreten. Nicht von einem Besuch in einem Restaurant

Mini Dramen – MainEcho vom 15. Dezember 2001

Alzenau. die Menükarte erhielten die Gäste bereits an der Eingangstür überreicht, und sie enthielt nicht weniger als 23 Gänge á la carte! Im Laufe des zweieinhalbstündigen Abends wählten die Anwesenden mit sicherem Geschmack die Reihenfolge des zu servierenden und wohlschmeckenden Angebots und konnten danach gestärkt den Nachhauseweg antreten. Nicht von einem Besuch in einem Restaurant

Meister Lukas, der Silberschmied von Alzenau- FAZ vom 11. Juni 2001

Alzenau. Die Alzenauer verstehen es, ihr Stadtjubiläum zu feiern. Nach dem schön gestalteten Festakt in der Prischoßhalle und der gelungenen stadtgeschichtlichen Ausstellung in der Hahnenkammhalle haben sie die Feierlichkeiten mit einem Freiluftspektakel besonderer Note fortgesetzt. Die 600 Jahre alte Burg gab dazu die Kulisse ab und ein Theaterstück, das vor knapp 50 Jahren anläßlich der Verleihung der Stadtrechte an die damalige Marktgemeinde Alzenau geschrieben und uraufgeführt wurde, den Inhalt.

Meister Lukas, der Silberschmied von Alzenau – MainEcho vom 11. Juni 2001

Alzenau. Minutenlanger Applaus belohnte am Freitagabend nach der dreistündigen Premiere des Theaterstücks “Meister Lukas – der Silberschmied von Alzenau” alle Beteiligten, die im unteren Burghof ein 500 Jahre altes Stück Alzenauer Geschichte lebendig in Szene gesetzt hatten. Auch Petrus trug sein Scherflein zum Gelingen bei: nachdem es den ganzen Tag mehr oder weniger kräftig gegossen hatte, fiel während der Vorstellung kein Tröpfchen vom Himmel.

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