Trainspotting – MainEcho vom 5. November 2002

Selbstzerstörerischer Trip durch sinnentleerte Welt aus Drogen, Sex und Gewalt

Theaterverein »kultBurG« mit »Trainspotting« in Wasserlos (K)ein Antidrogenstück

Alzenau-Wasserlos. Von »cool« über »abgefahren« bis zu »drogenverherrlichend« fiel das Urteil der jugendlichen Zuschauer über das neue Stück des Theatervereins »kultBurG« aus. Auch bei einem Teil des erwachsenen Publikums blieb ein schaler Nachgeschmack: War »Trainspotting« wirklich ein Antidrogenstück? Oder machte es nicht vielmehr durch das ungenierte Zurschaustellen des Umgangs mit Drogen und der überzeugenden Vorstellung von der fantastischen Wirkung Appetit auf Heroin und Co?

 

Unter der Regie von Ursula Jebe brachten in der Hahnenkammhalle ehemalige Mitglieder des Grundkurses »Dramatisches Gestalten« am Spessart-Gymnasium und Mitglieder von »kultBurG« in 90 Minuten »Trainspotting« auf die Bühne. Das Stück basiert auf dem 1993 erschienenen gleichnamigen Roman des schottischen Autors Dany Boyle. Verfilmt wurde der Stoff, der den Alltag einer Clique von Heroinabhängigen in einer Vorstadt von Edinburgh beschreibt, drei Jahre später. Sowohl Buch als auch Verfilmung sorgten seinerzeit für konträre Reaktionen.

Fäkalsprache und schwarzer Humor Die Ankündigung der Alzenauer Theaterfreunde, dass der Besuch der Veranstaltung wegen einiger Textstellen sowie der Darstellung von Gewalt und Drogen erst für Zuschauer ab 16 Jahren geeignet war, hatte im Vorfeld bei manchem Jugendlichen eher für erwartungsvolle Vorfreude gesorgt: Sollte man hier noch etwas lernen? Und tatsächlich stieg man hier mit extremen Dialogen ein und führte diese über 90 Minuten fort, die auch nicht in entschärfter Version zitiert werden können. Da mutete das »sexistische Arschloch« unter den ganzen f- und w- und v-Wörtern aus der Gosse noch harmlos an. Flott ging den Akteuren die Fäkalsprache über die Lippen und flott war auch die Vermischung der Schilderung des Drogenalltags mit einem tüchtigen Schuss schwarzen Humors. Aber sollte man wirklich die Schilderung eines Süchtigen, der in seiner eigenen Sch… auf einer vollkommen verdreckten öffentlichen Toilette wühlt, um an das gerade ausgeschiedene Opiumzäpfchen zu gelangen und dies mit blumigen Worten und untermalenden Gesten beschreibt, mit einer Prise Situationskomik würzen?

Gefährlich harmlos Szenenlang setzten sich die jungen Leute einen Schuss auf offener Bühne, um danach mit verklärtem Gesicht zu beschreiben, wie easy und entspannt sie sich nun fühlten (»totaler Wahnsinn«). Und Philosoph Mark (Thomas Scharwies in einer grandiosen schauspielerischen Leistung) könnte glatt eine Stelle als Drogen-Werbebeauftragter annehmen, wenn er nicht gerade dem »normalen« Leben abgedankt hätte: »Ich hab zum Ja-Sagen nein gesagt!« »Was gibt dir der Stoff? Ich will’s mal kapieren«, drängt ihn Tommy (Heiko Bozem). Und Mark erklärt: »Damit kommt mir alles wirklicher vor. Das Leben ist so scheißlangweilig.

Keine Antworten auf die wirklich großen Fragen.« Dabei bezeichnet er Heroin als » ehrliche Droge, weil sie die ganzen Illusionen einfach über den Haufen wirft. Ändert Bewusstsein nicht, gibt nur einen Kick.« Gefährlich harmlos waberte dieser Satz durch die Hahnenkammhalle, alles klang so verlockend, so einfach. Und wer unter den Jugendlichen hatte nicht selbst schon genau dieses »Scheiß-auf-die-Welt-Gefühl« verdammt gut gespürt, dieses tiefe, schwarze Loch der Selbstfindung? »Junk stopft das Loch und befriedigt den Selbstzerstörungstrieb« heißt es dazu.

Neben Drogen geht es in den mehr oder weniger kurzen Szenen in »Trainspotting« um Gewalt und Sex. Da steht ein Typ (Christian Woltering) am Rande der Bühne und zielt mit einem Gewehr ins Publikum (»Die nennen mich sick boy. Ich knall mir das Hirn zu«). Ein anderer schlägt seine schwangere Freundin und denkt dabei: »Hoffentlich hat sie meine 501 gewaschen.« Das allgemeine Null-Bock-Gefühl lässt sich an vielem festmachen. »Wir werden von Staatskrüppeln regiert und was sind wir dann?«

Der Dealer ist der König unter den Drogenabhängigen, dem mancher auf Scherben entgegenrobben würde für einen Schuss. Das Thema AIDS und Kondome wird mit Verachtung abgetan (»Ist doch alles scheiß-safer heute« und »Warum nicht das Schicksal herausfordern, dann wüsste ich wenigstens, dass es mich noch gibt«). Lösungen oder Alternativen zeigt »Trainspotting« nicht auf. Den Drogenentzug mit Methadon (»Suchtbefriedigung aus dem Staatssäckel«) bricht Mark ab und wird daheim von seiner alkoholsüchtigen Mutter in seinen Halluzinationen begleitet.

Am Ende trägt die Clique Tommy zu Grabe, der sich einen goldenen Schuss gesetzt hat. Donnernder Applaus Danach donnernder Applaus für alle Akteure, die vielleicht ihr schwierigstes Stück auf die Bühne gebracht haben neben den bereits Erwähnten: Florian Munder, Tobias Graupner, Alexander Klawitter, Kathrin Meyer-Oschatz, Regina Kilchenstein, Julia Raffler, Barbara Vogel-Hohm, Friedericke Thomalla, Katharina Wilz und Inge Meyer.

Doris Huhn