Leonce und Lena

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Handlung:

Im Lande Popo geht die Langeweile um. König Peter ist ein ziemlich vergesslicher Monarch und sein Sohn Leonce ein Melancholiker, der nicht anderes zu tun hat, als den ganzen Tag auf einen Stein zu spucken und den Sand zu zählen. Selbst seine Geliebte Rosetta bietet ihm keine Ablenkung mehr. Die einzige Abwechslung gibt es, als der Narr Valerio auftaucht, der mit beiden Beinen auf dem Boden steht. Leonce ist fasziniert von diesem, für ihn fremdartigen Lebemenschen. Als die Nachricht eintrifft, dass er Prinzessin Lena heiraten soll, flieht er mit Valerio nach Italien. Doch auch Prinzessin Lena ist mit ihrer Gouvernante auf der Flucht vor der Zwangsheirat. Beide Gruppen begegnen sich in einem Wirtshaus und Leonce verliebt sich in Lena, ohne zu wissen wer sie ist. Valerio entwickelt einen Plan, wie Leonce die fremde Frau vor seinem Vater heiraten kann. Als künstliche Menschen werden sie dem Hofstaat präsentiert.

Georg Büchner schrieb dieses Stück 1836 für einen Wettbewerb der Cotta’schen Buchhandlung, bei dem es 300 Gulden für den besten Zweiakter zu gewinnen gab. Doch Büchner verpasste den Einsendeschluss um wenige Tage und bekam das Manuskript ungelesen zurückgeschickt. Georg Büchner aber ließ es nicht in der Schublade verschwinden. Er schrieb das Stück in eine dreiaktige Komödie um; der Ursprungstext ist heute verschollen. Allerdings wurde es zu seinen Lebzeiten nie aufgeführt. 1850 veröffentlichte es sein Bruder erstmals in Büchners “Nachgelassenen Schriften” und 1885 war in München die Uraufführung. Seitdem hat Leonce und Lena ganze Heerscharen von Literaturwissenschaftlern beschäftigt, die das Stück nach allen möglichen Aspekten auseinander genommen haben.

Persönliches: Die Figur des Leonce zeigt autobiografische Züge. So verweigerte sich Büchner dem Willen seines Vaters, Arzt zu werden. Wie Leonce war Büchner ein Heiratsmuffel, der sich dem Drängen seiner Dauerverlobten Minna Jaeglé widersetzte.

Quellen: Für sein Stück hat Büchner viele literarische Vorlagen verwendet; neben Stücken Shakespeares wie “Wie es euch gefällt” und “Romeo und Julia” vor allem deutsche Romantiker. So basiert die Melancholie des Leonce auf der Hauptfigur Leon der Komödie “Ponte de Leon” von Clemens Brentano. Brentano lebte einige Zeit auf Hof Trages bei Alzenau und ist in Aschaffenburg begraben. Auch Goethes “Werther” wird zitiert, etwa in der Figur Valerios oder was die Todessehnsucht angeht. Die Veröffentlichung des “Werther” führte seinerzeit zu einer Selbstmordwelle.

Historisches: Der König ist eine Karikatur von Ludwig I. von Hessen-Darmstadt, den Büchner im Hessischen Landboten angegriffen hatte, weil er seine persönlichen Schulden der Staatskasse aufbürden wollte. So hat Ludwig I. sehr auf Kleidung geachtet, auch weil er eine Verkrümmung der Wirbelsäule damit verbergen wollte. Die Bauernszene persifliert die Hochzeit seines Sohns Ludwig II. mit Mathilde von Bayern im Januar 1834. Das Volk musste dem Paar am Straßenrand zujubeln. Seine Kammerherren ließ Ludwig I. dazu rot einkleiden.

Aufbau: Leonce und Lena besitzt einen märchenhaften Charakter, verweigert sich aber den Schemata eines Theaterstücks. Die Handlung folgt keiner gängigen Dramaturgie mit Höhepunkten und die Sprache selbst scheint ihrer Funktion – der Weitergabe von Inhalten – beraubt. Doch dahinter steckt ein Sinn. Die leeren Reden der Politiker werden entlarvt und der Pathos der deutschen Romantiker persifliert. Warum aus Liebeskummer ins Wasser gehen? Lieber Wasser lassen.

Es ist diese Vielschichtigkeit hinter dem scheinbar Belanglosen, die Leonce und Lena bis heute zu einem der faszinierendsten Stücke der deutschen Literaturgeschichte macht. Erich Kästner reihte es daher in die sechs wichtigsten deutschen Komödien ein.

 

Besetzung:

Leonce: Heiko Bozem
Lena: Anna Iaquinta
Valerio: Jens Schneider
Gouvernante: Vroni Hanakam
König Peter: Harald Gelowicz
Rosetta: Carolin Gündling
Präsident des Staatsrats: Robert Schön
Zeremonienmeister: Inge Mayer
Landrat: Peter Lubetzki
Schulmeister: Christine Mareck-Brünnler
Diener/Polizisten: Nicole Bozem, Lothar Gündling
Hofprediger: Jürgen Wahl
Hofdame: Ursula Stöckl
Bauern: Anneliese Sauer, Elfriede Reinhart, Gerlinde Pfetzing, Ute Höning, Marion Emmert, Helmut Schneider, Evi Dusch
Musik: Jürgen Wahl
Kompositionen: Wolfgang Beck
Kostüme:Barbara Vogel-Hohm, Inge Mayer
Schminke: Claudia Neumann, Emilia Neumann Vanessa Witteman, Larissa Träger, Dagmar Schudt
Licht: Jakob Flörchinger
Werbung, Grafik: Sandra Majewski

Regie: Josef Pömmerl

     

Autor:

Georg Büchner Einst per Steckbrief gesucht Porträt: Der Kämpfer für Freiheit und Bürgerrechte ist Namensgeber des wichtigsten deutschen Literaturpreises »Friede den Hütten Krieg den Palästen!« Diese Überschrift des Hessischen Landboten ist wohl einer der bekanntesten Sätze, die Georg Büchner geschrieben hat. Als Sohn eines Arztes wurde er am 17. Oktober 1813 in Goddelau bei Darmstadt geboren. Er studierte in Straßburg Medizin, Naturwissenschaften, Geschichte und Philosophie. Als er 1833 in das Großherzogtum Hessen-Darmstadt zurückkehrte, um sein Studium abzuschließen, erlebt er die politische Enge in Deutschland. Er schließt sich der Freiheitsbewegung an und gründet 1833 in Gießen die »Gesellschaft der Menschenrechte«. Mit Pfarrer Ludwig Weidig zusammen verfasst er den Hessischen Landboten, eine Anklage der politischen Verhältnisse in Hessen-Darmstadt. Darin ruft er die Landbevölkerung zur Revolution auf. Büchner wird verhört, sein Zimmer durchsucht, man kann ihm jedoch nichts beweisen. Erst als ein Mitverschwörer gesteht, setzt eine Verhaftungswelle ein. Sein Mitverfasser Ludwig Weidig stirbt in seiner Zelle; die offizielle Todesursache lautet Selbstmord. Büchner selbst flieht nach Straßburg und wird per Steckbrief gesucht. In dieser Zeit beginnt er sich für die Geschichte der Französischen Revolution zu interessieren. Hieraus entstand sein erstes Drama, »Dantons Tod«. Es bleibt das einzige Werk, das zu seinen Lebzeiten veröffentlicht wird. Büchner widmet sch wieder dem Medizinstudium, schreibt jedoch an seinen Manuskripten weiter. 1836 promoviert er und hofft auf eine Professur in Zürich. Doch dort stirbt er kurz darauf am 19. Februar 1837 an Typhus im Alter von 27 Jahren. Seine langjährige Verlobte Minna Jaeglé und ein Bruder veröffentlichen nach seinem Tod die literarische Hinterlassenschaft Büchners, darunter das Fragment »Woyzeck«, das als erstes deutsches Sozialdrama gilt: Ein weiteres Drama, »Pietro Aretino«, über den Renaissance-Dichter, gilt als verschollen. Es ist unklar, ob es je niedergeschrieben wurde. Der Einfluss Büchners auf die deutsche Literatur ist daran zu erkennen, das der bedeutendste deutsche Literaturpreis, der Georg-Büchner-Preis, nach ihm benannt ist. Es gibt eine Georg-Büchner-Gesellschaft, die sich mit Leben und Werk des Dichters auseinandersetzt und die Stadt Darmstadt hat ihren Literaturpreis, der alle zwei Jahre vergeben wird, Leonce-und-Lena-Preis genannt. Bemerkenswert ist, dass vier seiner fünf Geschwister ebenfalls Personen der Zeitgeschichte wurden. Sein Bruder Wilhelm wurde Landtags- und Reichstagsabgeordneter für die liberal-demokratische Fortschrittspartei; Schwester Luise setzte sich in Schriften für die Rechte der Frauen ein; Bruder Ludwig verfasste mit »Kraft und Stoff« (1855) ein bekanntes philosophisches Werk seiner Zeit und stand der sozialdemokratischen Bewegung nahe. Bruder Alexander beteiligte sich an der 1848er Revolution und wurde wegen radikal-demokratischer Ansichten vor Gericht gestellt.