Geliebte Betrüger, verratene Geliebte – Main Echo vom 14. März 2009

kultBurG-Premiere Komödie “Wer betrügt hier wen?” mit einem Schuss Lokalkolorit begeistert 100 Besucher

Alzenau Die Frau wird zur Furie. Sie mutiert zur Rachegöttin in ihrem schicken, schwarzen Kleid, die sorgfältig rot geschminkten Lippen werden verächtlich geschürzt, die Augen verengen sich zu gefährlichen Schlitzen. Ihr Mann betrügt sie! Mit ihrer Freundin!! Und gibt das auch noch genauso offen zu, wie sie ihm vorher von ihrem Liebhaber erzählt hat. Das gehört sich doch nicht, oder?!

 

Alle Vorstellungen ausverkauft

Die neueste Inszenierung des Alzenauer Theatervereins kultBurG brachte ordentlich Schwung in das Maximilian-Kolbe-Haus. Die Premiere am Donnerstagabend war mit 100 Besuchern genauso ausverkauft wie es die drei folgenden und die Zusatzvorstellung am Montag sind. Also keine Chance mehr für Spätentschlossene, sich die Boulevardkomödie “Wer betrügt hier wen?” von Marc Camoletti anzuschauen. Schade, denn die zweieinhalbstündige Verwechslungskomödie bietet Situationskomik und turbulente Szenen, wie es Anni Christ-Dahm für ihr Regie-Debüt angekündigt hat. Der Plot rund um drei mehr oder weniger gut funktionierende Beziehungen und ein quietschvergnügtes amerikanisches Aupair-Mädchen (total witzig: Anna Iaquinta) wird mit einem Schuss Alzenauer Lokalkolorit aufgemischt, der ihm gut zu Gesicht steht. Ehefrau Johanna (wieder einmal grandios: Marianne Hofmann) versucht, ihren Mann Julius (Josef Pömmerl als gehörnter Gegenpart mit Macho-Sprüchen) zunächst im “Schwanen” und dann in der “Brezel” telefonisch zu erreichen. Doch dort ist er seit Wochen nicht gesehen worden, obwohl er dort angeblich regelmäßig Karten spielt.

“Du lügst – und zwar schlecht”

In Johanna beginnt es zu kochen. Wie zwei Katzen um den heißen Brei schleichen beide umeinander herum und gönnen sich Nettigkeiten. Sie: “Ich stelle lediglich fest, dass du lügst – und zwar schlecht!” Er: “Weil du mir keine Zeit lässt, mich vorzubereiten!” Und dann ist es heraus. “Ich hab’ eine Freundin, weil du einen Freund hast”, schmiert Julius seiner Frau aufs magenunverträgliche Butterbrot. Ein Techtelmechtel aus gekränkter Eitelkeit, aus Rache also. “Ich mach’ keine Szene!”, brüllt er ihr quer durch das heimische Wohnzimmer entgegen und mokiert sich über ihren Geliebten, der im Atomforschungszentrum Hanau arbeitet und jeden Morgen Zeit hat, mit Johanna zu telefonieren (“der soll seine Bomben bauen!”). “Im Krieg sind alle Mittel erlaubt”, behauptet Julius und schlägt vor, die gegenseitigen neuen Hälften kennen zu lernen, natürlich in der Wohnung. Doch vorher taucht Johannas Freundin Brigitte (herrlich begriffsstutzig: Heike Woltering) auf, die alles nur noch schlimmer macht. Als dann tatsächlich Johannas Geliebter Robert und Julius’ Geliebte Gina klingeln (Andreas Blaha und Sandra Majewski), ist die Situationskomik nicht mehr zu überbieten. Wer betrügt nun wirklich wen, wer lügt wann, und ist vielleicht doch mal zwischendurch die Wahrheit gesagt worden? Als Brigittes temperamentvoller italienischer Mann Luigi (klasse: Roland Kilchenstein) seine eventuell oder doch auch wieder nicht verletzte Mannesehre herstellen möchte, blicken selbst die Figuren auf der Bühne nicht mehr durch …

Überzeugende Spiellust

Fazit: Dem Kultburg-Ensemble ist mit der Camoletti-Komödie ein Boulevardstück im klassischen Sinn gelungen, das vor allem im ersten, fast 90-minütigen Teil durch eine Text-Straffung deutlich gewonnen hätte. Doch die Spiellust der sieben Akteure und die Situationskomik überzeugen die Zuschauer. Beeindruckend ist auch die Textsicherheit und das selbstbewusste Auftreten des Ensembles.

Doris Huhn