Burgführungen – MainEcho vom 6. Juli 2004

Kurzweilige Nachhilfestunden in Geschichte

Am Sonntag gelungener Auftakt der »Historischen Burgführungen« in Alzenau –Eine Zeitreise durch 600 Jahre

Alzenau. Auf eine kurzweilige Zeitreise durch 600 Jahre Geschichte wurden die Teilnehmer der »Historischen Burgführung« in 100 Minuten mitgenommen. Am Sonntagnachmittag fand die erste von 15 Führungen im Rahmen der Alzenauer Burgfestspiele statt. Die Theaterszenen, die teils lustig, teils schaurig-realistisch Nachhilfestunden in Sachen Geschichte gaben, wurden von einem vielköpfigen Ensemble des Theatervereins »kultBurG« unter der Regie von Uschi Jebe – die auch den Text schrieb – präsentiert. Aufgegriffen wurde dabei eine Idee des Spessart-Gymnasiums Alzenau, das vor drei Jahren unter dem Titel »Burg-Skandale« mit einem ähnlichen Konzept gut ankam.

 

Bürgermeister Walter Scharwies kündigte nach der Premiere an, dass die Burgführungen als festes Angebot der Stadt für Gruppen eingerichtet werden. Dabei können auch einzelne Szenen herausgegriffen werden. Der Rathauschef bedankte sich bei den Mitgliedern des Theatervereins – wie schon bei der umjubelten Premiere des Theaterstücks »Eins, zwei, drei«, denn beide Male agieren zum großen Teil die selben Darsteller – für das bürgerliche Engagement.Insgesamt acht Szenen Durch die auf 30 beschränkte Teilnehmerzahl konnten alle Beteiligten die acht Szenen noch intensiver erleben. Für die verbindenden Worte sorgten jeweils die Führerinnen Barbara Vogel-Hohm, Anni Christ-Dahm und Uschi Jebe. Start der Zeitreise war das Jahr 1898, als die Kahlgrundbahn – auch liebevoll »Bembel« genannt – »mit Volldampf in die neue Zeit« schnaufte. Akustisch und durch viel »Lokomotivenqualm« unterstützt, gelang das Zurückversetzen in eine längst vergangene Zeit. Das Gespräch der beiden Dörflerinnen Gret und Lisbeth (Marianne Hofmann und Evi Dusch) beim Weißwäschezusammenlegen legte den damaligen Zwiespalt der Gefühle dar: Gret ist gegen den Fortschritt und wehrt sich heftig gegen die vermeintliche »Höllenmaschine«.In der nächsten Szene konnte das Publikum auf der großen Bühne vor dem ehemaligen Königlich Bayerischen Amtsgericht zu Walzerklängen eine tänzerische Umsetzung der Übergabe von Alzenau an den bayerischen König Max verfolgen. Viel zum lachen gab es beim herrlich gespielten Akt »Eine gute Zeit«, in dem die Kerbers Anna (Maria Schiller) dem kleinen Kerbers Mariechen (ebenso Klasse: Jana Wonschik) beibringt, wie man einen Korb auf dem Kopf balanciert und dabei noch etwas für seine Bandscheibe tut. Dem Phänomen Kindsmord auf der Spur war die Szene »Mädchenschicksale«, in der gleich drei Gretchen (ausdrucksstark: Regina Kilchenstein, Emilia Neumann und Fredericke Thomalla) ihr Schicksal beklagten. Von »Meine Ruh ist hin, mein Herz ist schwer« bis zu dem ebenso berühmten Faust-Zitat »Heinrich, mir graut’s vor dir« verfolgten die Zuschauer das gar nicht so seltene Los der Mädchen, denen Goethe ein literarisches Denkmal gesetzt hat.In den 30-jährigen Krieg entführte das fünfköpfige Ensemble, das im oberen Burghof eine Szene aus der Silvesternacht 1634 lebendig werden ließ. Das Leid und Elend, das der jahrzehntelange Krieg vor allem der Bevölkerung brachte, wurde klar dargestellt – ein kleiner Trost war zumindest für diese Runde da: Neben dem freudigen Wiedersehen mit Heiner sorgte auch ein »Schöppchen Herschter Woi« für glückliche Momente.Schaurig realistisch und keineswegs für kleine Kinder geeignet ist der Hexenprozess, der im Keller der Burg bei Kerzenschein unter die Haut gehend dargestellt wurde. Mit donnernder Stimme verlas der Richter (angemessen autoritär: Roland Kilchenstein) die Anklage gegen die Schmittin (Tanja Huber), die das Dach ihrer Nachbarin derart verhext haben soll, so dass es bereits sieben undichte Stellen aufweist. Die nur akustisch vernehmbaren Folterszenen, zu denen der Richter ungerührt seine Mahlzeit einnimmt, sind nichts für zarte Gemüter: Zum Schreien und Weinen der Schmittin erklingt das Brechen ihrer Knochen.Der anschließende, sehr stimmig inszenierte Totentanz zu mittelalterlicher Musik stellte dar, dass die sieben Todsünden Habgier, Hochmut, Neid, Völlerei, Wollust, Zorn und Trägheit allesamt mit dem Tod bestraft werden. Am Ende der Burgführung erwartete die Gäste, die am Eingang zum Rittersaal einen edlen Becher mit Wein erhielten, die Feier zur Verleihung der Stadtrechte im Jahr 1401. Amtmann Ulrich von Bergheim (Stefan Olbrich) empfing seine Gäste an einer festlich gedeckten Tafel, die sich unter Fasanen, Hühnchen, Brot, Obst und Kerzenleuchtern bog und konnte dabei auch den Kurfürsten Johannes II. (Josef Pömmerl) begrüßen. Die längst nicht so glänzende Stimmung der hohen Herren wurde vollends zunichte gemacht, als eine Delegation von Dörflern erschien und im Hinblick auf drohende Abgaben und hartes Steineschleppen wetterte: »Wilmundsheim will zu keiner Stadt werden!«Gerd Büttner, Direktor der Sparkasse Aschaffenburg-Alzenau, die einmal mehr als Sponsor der Alzenauer Burgfestspiele fungiert, bedankte sich – wie schon bei der Premiere der Burgfestspiele von »Eins, zwei, drei« am Freitagabend im Burghof – mit prickelndem Sekt bei allen Mitwirkenden. Doris HuhnWeitere »Historische Burgführungen« sind am Freitag, 9. Juli, um 23, 23.30 und 24 Uhr bei Fackelschein und Kerzenlicht sowie am Sonntag, 11. Juli, um 15, 15.30 und 16 Uhr. Karten: städtisches Verkehrsamt, 06023/502-112.