Zehn Jahre Herzblut und En­ga­ge­ment – MainEcho vom 07. November 2011

Jubiläum: Alzenauer Theaterverein Kultburg feierte am Wochenende im Maximilian-Kolbe-Haus – 40 Stücke aufgeführt

Alzenauer Theaterverein Kultburg Ohne lange Reden und Ehrungen kam das Jubiläum zum zehnjährigen Geburtstag des Alzenauer Theatervereins Kultburg am Samstagabend und Sonntagmittag im Maximilian-Kolbe-Haus aus. Der rührige Verein besann sich stattdessen auf das, was er am besten kann: Theater spielen ohne Wenn und Aber, dafür mit Herzblut und Engagement.
Und da hier die Kinder- und Jugendarbeit ganz groß geschrieben wird, hatten die Kultburg-Kids unter der Leitung von Stefka Huelsz-Traeger und Marianne Hofmann die ehrenvolle Aufgabe, die zahlreichen Besucher, darunter viele Leute der ersten Stunde, mit ihrem Spiel zu begrüßen.

Starker Nachwuchs

Großartig gelang es dem Nachwuchs, der in dieser Konstellation noch nicht auf der Bühne gestanden hatte, mit drei gelungenen Sketchen und der »Sage vom Luhmännchen« mit kräftigem Lokalkolorit das Publikum zu unterhalten. Mit Felix Kühne, Aylin Stein, Jennifer Lohr, Jasmin Rosenberger, Jakob Meder, Nathalie Graul, Mai-Britt Wombacher, Antonia Beinenz und Elyssa Rivera kann die Kultburg auf starken Nachwuchs setzen, der bereits jetzt das Credo des Vereins voll verinnerlicht hat.

Vorsitzender Roland Kilchenstein begrüßte unter den Gästen besonders herzlich Ehrenbürger Walter Scharwies, den »geistigen Gründervater« der Kultburg. Rund 40 Theaterstücke hat die Kultburg im Lauf von zehn Jahren auf der Bühne, in der Burg, im Freien und in ihren eigenen Räumen aufgeführt. Alle Stücke hatten gemeinsam, dass sie »niveauvoll und unterhaltsam« waren. »Die Kultburg versteht sich als Amateurtheaterverein und nicht als Laienschauspieltruppe«, betonte Kilchenstein. Er nannte drei Ziele für die Zukunft:

  • Die Kultburg möchte weiterhin hauptsächlich in Alzenau »niveauvolles Theater anbieten«.
  • Alle Regisseure und Schauspieler, Verantwortliche und Helfer bringen dabei ihr persönliches Wissen, Können und Engagement unentgeltlich ein.
  • Als dritte Zielsetzung formulierte der Vorsitzende: »Die Burgfestspiele sind wesentlicher Bestandteil unseres Vereinslebens, und wir werden auch weiterhin bemüht sein, im Einvernehmen mit der Stadt, diese mitzugestalten.«
»Kulturelles Leben bereichert«

»Ich sage Danke dafür, dass Sie uns seit zehn Jahren mit Ihrem Können erfreuen und uns auf diese Weise an ihren Talenten teilhaben lassen«, begann Bürgermeister Alexander Legler das einzige Grußwort des Abends und bescheinigte den Kultburglern, dass sie »mit Stolz und Freude über das bis heute von Ihnen Erreichte Ihr Jubiläum begehen können«. Als sozusagen »lose Gruppe« gestartet, habe sich der Verein »rasch und sehr erfolgreich als hochkarätiges und mit Herzblut auftretendes Theaterensemble etabliert, das mit einem breiten Spektrum an Aufführungen das kulturelle Leben unserer Stadt aktiv mitgestaltet und bereichert. Sie haben sich von Beginn an in die Herzen Ihres Publikums gespielt«, lobte Legler.

Der Rathauschef hob außerdem hervor, dass der Truppe kein Genre des Theaters fremd ist – »ob Drama oder Komödie, ob Nachdenkliches oder Amüsantes, ob schwere oder leichte Kost, Aufführungen moderner oder historischer Art«. Er lobte nicht nur die Nachwuchsarbeit, sondern auch das »seit zehn Jahren bestehende ehrenamtliche Engagement und persönliche Einsatzbereitschaft für das kulturelle Leben unserer Stadt«. Ein kleines Geldgeschenk des Bürgermeisters wird für die Nachwuchsarbeit verwendet.

In gut 20 von Uschi Jebe ausgewählten Szenen ohne Moderation und fast mit improvisatorischem Charakter ließ die Kultburg einige Stücke aus den vergangenen zehn Jahren Revue passieren. Der Clou dabei: Auf der Leinwand hinter den Schauspielern liefen Filmmitschnitte der damaligen Aufführungen, während auf der realen Bühne die Schauspieler von damals, nahezu unkostümiert, nur mit einigen Requisiten versehen, agierten.

»Meister Lukas« zehn Jahre später

Besonders witzig war das bei einer Kinderszene aus »Meister Lukas«. Aus den Kindern von damals sind Erwachsene geworden und als sich das kleine Mädchen aus dem Jahr 2001 als junge Frau auf den Schoß der Erzählerin setzt, sorgte das für große Heiterkeit. Spannende Szenen, wie zwei starke Fechtduelle, bei denen es richtig zur Sache ging, romantisches aus »Romeo und Julia«, witziges wie die Stehcafé-Szene aus »Witwendramen«, kindgerechtes mit Biene Maja und Mistkäfer Kurt, musikalisches vom Kultburg-Rabenchor oder nachdenkliches aus dem Jugendstück »Die Welle« waren nicht nur kurzweilig gespielt, sondern stellten eindrucksvoll dar, welche Riesenleistung hinter den vielen Aufführungen der Kultburg und den zehn Jahren steckt.

Mit einer Szene aus der neuesten Produktion »Adams Äpfel« endete der Jubiläumsabend, und Roland Kilchenstein verkündete: »Und jetzt macht die Kultburg, was sie auch sehr gut kann: feiern!«

Eines steht felsenfest: Auf die nächsten zehn Kultburg-Jahre kann man sich jetzt schon ganz kräftig freuen. Und den Slogan »Ein Verein macht Theater« könnte man umformulieren in »Ein Verein lebt Theater!«.

Doris Huhn

Teuflisches Spiel vor St. Margareta – MainEcho vom 29. August 2011

Theaterpremiere: Starke Kultburgler zeigen rabenschwarze Komödie »Adams Äpfel« auf dem Dorfplatz

Kahl »Wir müssen noch warten, bis die Kirche aus ist. Da wird noch um besseres Wetter gebetet«, verkündete Regisseur Josef Pömmerl am Samstagabend auf dem Dorfplatz direkt vor der Pfarrkirche St. Margareta, wenige Minuten, bevor die zweite Aufführung der neuen Kultburg-Inszenierung los gehen sollte.

»Heute Abend soll es trocken bleiben«, ergänzte Pömmerl schmunzelnd und so war es denn auch. Der letzte Teil der Premiere von »Adams Äpfel« musste am Freitagabend in die nahe gelegene Gaststätte »Da Salva« verlegt werden, wo die letzten 20 Minuten gespielt wurden, während draußen das Gewitter tobte.

Schwarz, rabenschwarz, »Adams Äpfel« könnte man die Steigerungskette fortsetzen, denn schwärzer kann ein Stück wirklich nicht sein als die herrliche Groteske, die der Däne Anders Thomas Jensen im Jahr 2005 auf die Kinoleinwand brachte. Immerhin wurde der Streifen für einen Oscar nominiert, außerdem heimste er den Kulturpreis der dänischen Pastoren ein. 

Wie auf den Leib geschneidert

Die ironisch überspitzt dargestellten Szenen in einer Wohngemeinschaft für angeblich resozialisierte Straftäter ist den 20 Kultburglern wie auf den Leib geschneidert. Die zweimal 60 Minuten Spielzeit, die von einer viertelstündigen Pause unterbrochen werden, vergehen wie im Flug angesichts dieser so traurigen und doch so lustigen Geschichte, die düster und heiter zugleich ist, anrührt und ungemein unterhält. Dass es das Ensemble wagt, die beiden Aufführungen im Freien zu spielen, wird belohnt.
Zwar sind die Temperaturen weit von einem Sommer-Open-Air entfernt, doch die stimmige Kulisse der Pfarrkirche, vor dem das scheinbar von höheren Mächten gelenkte Treiben der Menschen sich entwickelt, ist unbezahlbar. Selbst der kalte Wind, die dramatische Wolkenentwicklung und die mächtigen Glockenschläge des Pfarrhauses setzen zusätzliche Akzente, die das ohnehin extrem starke Spiel der Truppe noch aufwerten.

Eindrucksvoller »weiblicher« Adam

Die Idee von Josef Pömmerl, die Hauptrolle des Adam weiblich zu besetzen (die aggressive Neonazi Eva begründet ihren männlichen Namen so: »Ich schlage nicht zu wie eine Eva, darum Adam«), ist genial. So mutet ihr Konflikt zwischen dem Guten und dem Bösen umso augenscheinlicher und eindrucksvoller an.
Ihr Gegenspieler, wenn man ihn so nennen mag, ist Pfarrer Ivan, der mit seiner Verleugnung alles Bösen im Menschen auf einer fanatischen Ebene angelangt ist. Nicole Bozem und Peter Lubetzki sind (Laien-)Schauspieler der Extraklasse, die ihre Rollen ausleben. Ihnen zur Seite steht ein Ensemble, das von der Zuschauerseite aus keine Wünsche offen lässt. Alle Figuren sind mehr oder weniger gewalttätig und haben eine Schraube locker. Diese kaputten Typen werden auf eine derart groteske Art und Weise präsentiert, dass man über den schwarzen Humor dieser Weltanschauung herzhaft lachen kann.

Von Gewalt zum liebevollen Ritual

Besonders schön ist die Entwicklung zwischen Adam und Gunnar zu sehen. Gunnar klaut Adam regelmäßig Handy und Geldbörse. Während Adam zu Beginn darauf mit blanker Gewalt reagiert, wird die Übergabe dieser beiden Dinge im Laufe des Stücks zu einem liebevollen Ritual. Dass der Teufel seine Hände im Spiel seines Lebens hat, davon ist Ivan überzeugt. Die blonde Ärztin Kolberg könnte sogar ein Teufel in Menschengestalt sein. Die biblischen Anspielungen durchziehen das komplette Stück. Evas Projekt in der WG, einen Apfelkuchen aus Früchten vom Baum des Pfarrgartens zu backen, wird von biblischen Plagen sabotiert. Mal fallen Raben in den Baum ein, mal zerfressen Würmer die Früchte, dann schlägt der Blitz in den Baum ein. Doch Adams Theorie ist es, dass nicht der Teufel die Menschen auf die Probe stellt, sondern Gott selbst.

Unterhaltsame Umbauphasen

Die insgesamt 21 Szenen werden von überaus unterhaltsam gestalteten Umbauphasen begleitet. Die Musik, mal ethnisch angehaucht, mal erklingt die norwegische Frauenband »Katzenjammer« vom Band, passt hervorragend. Die Schauspieler selbst tragen Tische und Stühle von der Bühne, schlüpfen hier erneut in Rollen, improvisieren scheinbar einige Tanzschritte, stellen mit überzogener Mimik die Requisiten bereit. Bereits diese quicklebendigen Szenenwechsel sind munterer und witziger als der Gesamtgehalt mancher so genannter Komödien.

Wer keine Angst hat vor schrägen Typen, derbe Ausdrucksweise und saftige Schimpfworte verträgt, Revolverschüsse, Schlägereien, den Tod einiger Mitspielender verkraftet und sich dabei prächtig unterhalten lassen möchte, dem sind die drei weiteren Aufführungen von »Adams Äpfel« wärmstens empfohlen.

Im zehnten Jahr seines Bestehens ist dem Alzenauer Theaterverein mit diesem Stück ein echter Knaller gelungen, den Regisseur Josef Pömmerl mit seiner engagierten Truppe zum prallen Leben erweckt hat.

Doris Huhn

Theater mit Strippshow und Zirkus – MainEcho vom 15. Mai 2011

Kultur: Zehn Jahre kultBurG – Die kommenden Produktionen

Zehn Jahre besteht der Alzenauer Theaterverein kultBurG  und will dies Ende des Jahres feiern. Zuvor steht allerdings noch eine Menge Theater an.

Zunächst eine Wiederaufnahme: Am 27., 28. und 29. Mai zeigt der Verein noch einmal seine Stripperkomodie “Ladies Night” in der Pizzeria Da Salva (Altes Pfarrheim) in Kahl, nachdem im März und April alle Vorstellungen ausverkauft waren: Eine Gruppe arbeitsloser Männer beschließt, eine Strippshow auf die Beine zu stellen. Doch Selbstzweifel und Streitigkeiten plagen die Truppe immer stärker, je näher der Auftritt rückt. Beginn ist Freitag und Samstag um 20:30 Uhr, am Sonntag um 19:30 Uhr. Karten sind im Vorverkauf in den Geschäften “Das Buch” in Alzenau, “Regenbogen” in Mömbris und Schreibwaren Drechsler in Kahl erhältlich. 

Bei den Alzenauer Burgfestspielen in diesem Jahr wird der Verein mit einem Kinderstück vertreten sein. Bei “Was für’n Zirkus” von Rainer Baaken übernehmen die Tiere in einem pleite gegangenen Zirkus selber das Kommando. Aufführungen im oberen Hof der Burg Alzenau sind von 20. Juni bis 22. Juni sowie 27. Juni bis 8. Juli jeweils Montag bis Freitag um 10:00 Uhr sowie am Sonntag, 3. Juli um 11:00 Uhr. Tickets gibt es im Verkehrsamt der Stadt Alzenau, Hanauer Straße 1.

Selbstmörderische Katzen

Zum Selbstmord neigende Katzen, schießwütige Tankstellenräuber und einfältige Neonazis sind unter anderem Akteure in dem dänischen Stück “Adams Äpfel” von Anders Thomas Jensen, das im August Premiere hat. In dieser tiefschwarzen Komödie geht es um eine Wohngemeinschaft angeblich resozialisierter Straftäter. Die junge Neonazi Eva genannt Adam, die sich für absolut böse hält, landet hier bei einem Pfarrer, der wegen eines Gehirntumors nichts Böses sehen kann. Zwischen beiden entbrennt ein psychologischer Zweikampf – oder ist es gar ein Zweikampf höherer Mächte…

Aufführungen sind am 26. und 27. August, jeweils 19:30 Uhr, auf dem Dorfplatz in Kahl sowie am 23., 24. und 25. September im Schlösschen in Michelbach. Karten gibt es in einigen Wochen bei der Gemeinde Kahl und in den üblichen Vorverkaufsstellen.

Letzlich feiert der Verein invdiesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen und plant dazu eine öffentliche Veranstaltung mit Sketchen, musikalischen Auftritten und kurzen Szenen. Termin ist voraussichtlich Samstag, 12. November im Maximilian-Kolbe-Haus in Alzenau. Näheres wird noch bekannt gegeben.

Das Schlösschenn in Michelbach ist 2012 der Schauplatz einer weiteren Premiere. An den ersten beiden Maiwochenenden des kommenden Jahres läuft hier Shakespeares Komödie “Verlorene Liebesmüh” in der Version von Horst Jüssen (Klimbim).

joe

 

Sternstunde für vier Stripper – MainEcho vom 21. März 2011

Premiere: Kultburg präsentiert »Ladies Night« und lässt es im alten Kahler Pfarrheim so richtig krachen

Kahl  Als echter Hammer entpuppte sich die jüngste Inszenierung des Alzenauer Theatervereins Kultburg, die am Samstagabend im ausverkauften Saal der Gaststätte »Da Salva« in Kahl (ehemaliges altes Pfarrheim) viel umjubelte Premiere feiern konnte.

Carolin Gündling, die erstmals Regie führte (Regieassistenz: Regina Kranz), bestand ihr Debüt mit Bravour. Die kultige Stripperkomödie »Ladies Night« von Stephen Sinclair und Anthony McCarten eignet sich für einen kleineren Spielort wie das alte Pfarrheim hervorragend und schien den Kultburglern wie auf den mehr oder weniger knackigen Leib geschrieben.

Nach dem krachenden Finale, als die »Golden Boys« mit ihrem Stripper-Auftritt das Publikum nicht nur zum Johlen und Toben gebracht hatten, sondern sogar Slips und BHs auf die Bühne flogen (zugegeben von Damen, die dem Theaterverein sehr nahe stehen), wurde vehement eine Zugabe gefordert. Doch mit dieser Schlussszene ist es wie mit dem berühmten Pilz-Gericht: aufgewärmt wäre es nicht das Gleiche gewesen.

Wie es Carolin Gündling geschafft hat, ihre Truppe mit solcher Spiellust und Energie einzuschwören, bleibt ihr Geheimnis. Tatsache ist, dass die Kultburg mit »Ladies Night« jedes Profiensemble in den Schatten stellen kann. Eine ganz starke schauspielerische Leistung absolvierten die Laiendarsteller auf zwei Spielebenen und das Publikum kam aus dem Lachen und Staunen nicht mehr heraus, setzt doch das Stück voraus, dass vor allem die Stripper keine Hemmungen vor extrovertierten Auftritten haben. Ein weiteres Plus: Für die »Ladies Night«-Inszenierungen wählte die Regisseurin eine andere Musikauswahl als die aus dem Film »Ganz oder gar nicht« bekannten und setzt damit einen weiteren individuellen Farbtupfer.

Die Story ist schnell erzählt: Vier arbeitslose Freunde entschließen sich aus einer Bierlaune heraus eine Stripshow einzustudieren, um ihren Geldsorgen endlich ein Ende zu setzen. Mit einem ebenfalls arbeitslosen Ex-Tänzer finden sie den richtigen Mann für die Einstudierung der Choreographie. Und Nachtclubchefin Gladice gibt den Jungs die Chance ihres Lebens. Doch dann kommen Selbstzweifel und Ängste hoch. Welche Frau will denn schon einen Waschbär- statt einen Waschbrettbauch sehen und was will frau überhaupt sehen? »Frauen wollen keine Schwänze sehen!«, stellt Coach Gerald mit deutlichen Worten klar.

Die erste Trainingseinheit ist mehr als hart und der Coach kritisiert: »Du bewegst dich wie ein Eskimo im Leichenschauhaus!«. Und dann ist da auch noch der ständig stänkernde Gerald, der sich zwar nicht traut, mitzumachen, doch dauernd miese Stimmung verbreitet.

Die vier Stripper in spe werden von Heiko Bozem, Klaus Kolb, Stephan Noll und Stefan Rupprecht optimal und lebensecht in prächtige Szenen gesetzt. Toll, wie das anfänglich quasi nicht vorhandene Körpergefühl beim Schlussauftritt in einen zündenden und choreographisch ausgeklügelten Höhepunkt mündet. Eingeschworen von ihrem Coach (Matthias Wissel), der auch die blöden Sprüche von Graham (Josef Pömmerl) abprallen lässt, gewinnt Barry schließlich sogar seine Frau Denise (Carmen Reichenbach) wieder für sich. Regisseurin Carolin Gündling glänzt als Nachtclubsängerin Glenda, die Nachtclubbesitzerin wird von ihrer Regieassistentin Regina Kranz verkörpert. Die Superfan-Gruppe im Publikum setzen Carmen Reichenbach, Christine Mareck-Brünnler und Sandra Majewski in Szene. Nicht unerwähnt bleiben sollen Manfred Jung und Steffen Edlinger, die beim großen Stripper-Casting dabei sind und für etliche Zusatzlacher sorgen.

Wer sich einen zweistündigen (inklusive 30-minütiger Pause) und lachintensiven Abend gönnen möchte, sollte sich sofort Karten für die restlichen drei Veranstaltungen sichern. Die ganz Mutigen dürfen sich mit Dessous eindecken (unbedingt vorher weite Würfe auf die Bühne üben!). Wetten dass, dieses Stück nach den Aufführungen im April nicht in der Versenkung verschwinden wird, sondern zu einem Kultburg-Dauerbrenner werden? Auf weitere »Ladies Nights« freut sich schon mal im Voraus …

Doris Huhn

Stichwort: Aufführungen
Von »Ladies Night« finden drei weitere Vorstellungen im Saal der Gaststätte »Da Salva« (altes Pfarrheim Kahl) statt und zwar täglich vom 1. bis 3. April, Freitag und Samstag um 20 Uhr, Sonntag um 19 Uhr. Karten im Vorverkauf gibt es bei »Das Buch« und Schreibwaren Goldbach in Alzenau sowie bei der Buchhandlung »Vielseitig« und Schreibwaren Drechsler in Kahl. (dh)

 

Lustig, lasziv, lebensfroh – MainEcho vom 25. Juli 2010

Burgfestspiele Alzenau: Der Filmklassiker »Irma la Douce« als Theaterkomödie

Alzenau  Der erste Anlauf dauert nur gut eine halbe Stunde. Dann fegt ein Unwetter über die Region und setzt der Aufführung von »Irma la Douce« am Freitag auf der Alzenauer Burg ein Ende. Diese Vorstellung wird dann am Sonntag vormittag Alzenauer Burgg – zum Glück ohne Regen – wiederholt. So kommt es, dass der Samstag-Abend-Termin unfreiwillig zur Premiere wird.

In welchem Milieu das Stück des Alzenauer Theatervereins Kultburg angesiedelt ist, das zeigt sich auf den ersten Blick. Leicht bekleidete Damen, einige davon echt, andere entsprechend ausstaffierte Schaufensterpuppen, gruppieren sich rund um die Bühne im unteren Burghof.

»Irma la Douce«, der Filmklassiker von Billy Wilder aus dem Jahr 1963, dürfte den meisten im Publikum mehr oder weniger bekannt sein. Abweichend von der Vorlage werden für die Alzenauer Version vier Straßenkehrer (Gabi Wittemann, Nicole Bozem, Egon Pichl, Carmen Reichenbach) eingeführt, die regelmäßig für Überleitungen und Erklärungen sorgen – und die natürlich auch hin und wieder nach einer Schlägerei die mit Scherben oder ähnlichem Müll verunreinigte Bühne säubern dürfen.

Ansonsten orientiert sich Regisseur Josef Pömmerl, auch für den Text verantwortlich, nahe am Original. Selbst den kecken Lockenkopf einer Shirley MacLaine, die damals so wunderbar locker die Irma spielte, adaptiert Sandra Majewski für ihre Rolle des Straßenmädchens. Irma, die von Kindesbeinen an im Pariser Rotlichtviertel, in der Rue Casanova, ihr Leben verbracht hat, lernt den völlig naiven Nestor (Klaus Kolb) kennen, der seinen Job als Polizist nach einer übereifrigen Razzia im Stundenhotel verliert. Sein Pech: Vorgesetzter Inspektor Levèfre (Peter Lubetzki) war hier gerade Kunde. Nestor schlägt nun bei einem Streit Irmas Zuhälter Hippolyte, genannt der Ochse (Heiko Bozem), k.o. – und übernimmt dessen Funktion. Von Eifersucht bald zerfressen schlüpft er mit Hilfe von Bistro-Wirt Moustache (Manfred Jung) in die Rolle des körperlich beeinträchtigten Lord X. Alles nur, um Irma von anderen Männern fern zu halten.

Der Plan misslingt, denn nun muss Nestor nachts arbeiten, um Irma bezahlen zu können. Die Beziehung bröckelt, der Lord muss weg – und doch wieder her, denn Nestor wird für den angeblichen Mord verhaftet. Geschickt nutzt die Aufführung die örtlichen Gegebenheiten, Treppenaufgänge werden einbezogen, das Stundenhotel einerseits diskret hinter einer Wand angesiedelt, anderseits mit einem Bett im ersten Stock wieder sichtbar gemacht.

Oftmals spielt sich das Geschehen parallel ab: Während Irma mit dem Lord im Hotelzimmer plaudert, zocken die Zuhälter (Georg Heres, Alfred Kolb, Josef Pömmerl) und die anderen Straßenmädchen (Ursula Stöckl-Elsesser, Stefanie Elsesser, Moniera Romann und Claudia Bross) stöckeln lasziv auf und ab. Der Lord taucht einfallsreich als Schattenriss ab und wieder auf, und Stefan Rupprecht, der vielseitig unter anderem in die Rollen von Polizist, Matrose und Pfarrer schlüpft, darf sogar in einer Art Bobart-Kostüm das Publikum erheitern.

Zu Beginn der Vorstellung wirken manche Szenen noch etwas hölzern, doch spielen sich vor allem Irma, Nestor und Moustache im Laufe des Abends wunderbar warm. Klaus Kolb läuft vor allem als Lord X mit britischem Zungenschlag zur Höchstform auf. Auch Claudia Bross, die von Klaus Staab musikalisch begleitet wird, bereichert das Stück mit ihren gelungenen Gesangseinlagen.

Immer öfter müssen die Zuschauer lachen, obwohl die ungewohnte Kälte viele eher zum Schlottern bringt. Ein paar Kürzungen hätten der Aufführung dennoch gut getan, die auf eine Länge von drei Stunden angelegt, phasenweise etwas Dynamik vermissen lässt. Auch wenn Irma einfach göttlich zu heulen vermag und Moustache gekonnt aus seinem illustren Lebenslauf plaudert. Aber das ist eine andere Geschichte.

Martina Jordan

Weitere Termin in Kahl: Freitag, 20., Samstag, 21. August, jeweils 20 Uhr; Karten gibt es im Rathaus Kahl, Tel. 06188/9440, Ticket-Service Alzenau, Tel. 06023/310940.

Tausche Ehemann gegen praktische Gehhilfe – MainEcho vom 20. Juli 2010

Burgfestspiele: Fulminante Kultburg-Inszenierung der »Witwendramen« – Tiefschwarze und schräge Episoden-Revue von Fitzgerald Kusz

Alzenau  Die Premiere der »Witwendramen« des fränkischen Schriftstellers Fitzgerald Kusz entpuppte sich am Sonntagabend im oberen Burghof als bislang fulminanter Höhepunkt der diesjährigen Burgfestspiele.

Die fünf Schauspielerinnen des Alzenauer Theatervereins Kultburg traten gemeinsam mit ihrer Regisseurin Anni Christ-Dahm als Energie geladenes Frauenquintett auf, das die Zuschauer bereits nach den ersten von insgesamt 32 Szenen im Sturm erobert hatte. Marianne Hofmann, Maria Fleschhut, Maria Schiller und Britta Olbrich zogen gemeinsam mit Christ-Dahm alle Register ihres Könnens und verwischten die Grenzen zwischen Laien- und Profitheater mühelos mit einem Schlenker des kleinen Fingers.

Dabei stellt die schräge Revue des 1944 in Nürnberg geborenen Kusz besondere Herausforderungen. Insgesamt 58 Szenen rund um die Themen Witwen, Tod, Trauer und Verlust stellt der Autor in einer Art Materialsammlung zur Verfügung. Einfach sei es ihr gefallen, so Regisseurin Anni Christ-Dahm, die 32 Episoden für die Burgfestspiele herauszusuchen. »Ich wusste auch gleich, wie die Besetzung aussehen soll«, erzählt sie, die trotz Erkältung und angekratzter Stimme die Premiere durchgehalten hat. Als Regieassistentin stand ihr Christiane Köster zur Seite. 

Geschichten, wie das Leben sie schreibt, liefert Kusz, einige tieftraurig, andere urkomisch oder bitterböse. Teilweise jongliert der Schriftsteller von Mundart-Klassikern wie »Schweig, Bub!« haarscharf am Abgrund zur Pietätlosigkeit entlang, überschreitet sie doch nie.

Schwarz, schwärzer, Witwendramen möchte man die Steigerungsform fortsetzen. Manchmal bleibt es mucksmäuschenstill nach einer Szene, in den meisten Fällen schallt befreiendes Gelächter über die fast intim anmutende Spielstätte, in der das Stück noch authentischer wirkt als auf einer Bühne, die weiter weg von den Publikumsplätzen ist.

Dauerthema Männer

Einige Themen ziehen sich wie ein roter Faden mit Fortsetzungen durch die zweieinhalbstündige Aufführung (inklusive Pause). Im Treppenhaus, im Fitnessstudio, im Park oder an der Endhaltestelle Waldfriedhof parlieren die Witwen miteinander oder halten Monologe.

Die eine ist froh, ihren Mann endlich los zu sein, wie die junge Frau, die sich auf dem Friedhof in einer Art Befreiungsschlag von dem Ehe-Tyrann lösen möchte. Dazu trinkt sie mit ihrer Freundin Schnäpse auf ex und wirft die kleinen Fläschchen auf das Grab des gehassten Verstorbenen (»der Arsch hat mich immer noch fest im Griff. Der lebt in meinem Kopf weiter!«).

In jeder Szene wechseln die Kultburglerinnen die Kostüme inklusive Perücke, Hüte, Schmuck, Handtasche und was frau sonst noch so mit sich trägt. Teilweise biegt sich das Publikum schon beim bloßen Anblick der Witwen vor Lachen auf seinen Plätzen. Vor allem Marianne Hofmann und ihre Schwester Anni Christ-Dahm, die auch als »Duo Uffschnitt« auftreten, sind für die Bühne wie geschaffen. Ihre Wandlungsfähigkeit kennt keine Grenzen. Die mondäne Witwe Jackie Onassis mit strahlendem Lächeln (in der Reihe »Berühmte Witwen«) wird genauso überzeugend gegeben wie eine herbe Kaffeetante mit Dauerwelle und Hornbrille.

Zwischen Trauer (»was gäb’ ich dafür, wenn ich seine Krümel noch mal wegräumen dürfte«) und Pragmatik (»ich brauch keinen Mann, ich brauch eine Gehhilfe«), zwischen Tortenteller und Fitnesshantel, bei der Testamentseröffnung mit bitterer Überraschung für die langjährige Ehefrau und am Kaufhauswühltisch – Kuszs Szenen zeigen, wie das Leben auch nach dem Tod weitertobt, welche Veränderungen mit den Witwen vor sich gehen in all ihren negativen und positiven Konsequenzen. Die eine blüht auf, die andere verwelkt. Für die eine beginnt das Leben, für die andere ist es zu Ende gegangen.

Todesanzeigen und Danksagungen werden verlesen, aber auch Männerwitze und andere Weisheiten verkündet, bei denen die anwesenden Männer brav mitspielen und in das schallende Gelächter der Frauen mit einstimmen. Einigen Herren sieht man die Anstrengung ein wenig an.

Dabei lernt man die Weisheit argentinischer Sprichwörter kennen (»Es ist besser, der zweite Mann einer Witwe zu sein als ihr erster«) und erhält die Antwort auf die existenzielle Frage »Was macht eine Frau, wenn ein Mann aus dem Fenster springen will?«. Die Antwort ahnt man bereits: »Sie gibt ihm den Müll mit.«

 

Doris Huhn

Mit Feenkraut vom Hahnenkamm – MainEcho vom 24. Juni 2010

Alzenauer Burgfestspiele: Kinderstück »Räuber Hotzenplotz« begeistert 145 kleine und große Zuschauer

Alzenau  Ordentlich rund geht es zu bei dem diesjährigen Kinderstück der Alzenauer Burgfestspiele, das am Mittwochvormittag im oberen Burghof Premiere hatte.

Da knallen Pistolenschüsse, schwere Stiefel poltern über die Bühne, Theaterdonner scheppert aus dem Hintergrund, Räuber Hotzenplotz und Zauberer Zwackelmann schreien und zetern um die Wette.

Fantasievolle Räuberposse

Und das alles zum allergrößten Vergnügen der 145 kleinen und großen Zuschauer, die sich den diesjährigen Kinderspaß des Kultburg-Ensembles nicht entgehen lassen wollten. Seit fünf Jahren inszeniert Stefka Huelsz-Träger das Stück für die kleinsten Theaterfans, und die Ideen gehen ihr offensichtlich noch lange nicht aus.

Angefangen von den fantasievollen Kostümen über die stimmigen Masken bis hin zu den kleinen, aber feinen Regieeinfällen punktet die 75-minütige Räuberposse nach dem Klassiker von Otfried Preußler mit kindgerechter Unterhaltung. Dass die Geschichte fast 50 Jahre auf dem Buckel hat, merkt man ihr nicht an. Mit einem Schuss Lokalkolorit wohnt der Räuber eben im Alzenauer Stadtwald, das Sträußlein Feenkraut pflückt Seppel auf dem Hahnenkamm, Hotzenplotz bezeichnet sich als »den gefährlichsten Räuber am bayerischen Untermain« und Zauberer Zwackelmann begibt sich nach Bernbach, wo an diesem sonnigen Vormittag anscheinend die meisten Kinder herkommen.

Mit viel Herzblut und Engagement spielt die achtköpfige Truppe die genauso zeitlose wie spannende Geschichte. Die beiden Publikumslieblinge Kasperl und Seppel schenken der Großmutter zum Geburtstag eine funkelnagelneue Kaffeemühle, die sogar noch ihr Lieblingslied trällert beim Mahlen. Doch das ist ein gefundenes Fressen für den Räuber Hotzenplotz. Seppel, der nicht nur nicht lesen kann, sondern auch sonst recht wenig kapiert, geht nun mit Kasperl selbst auf Räuberjagd. Aber prompt werden die zwei mit einem Schuss aus der Pfefferpistole außer Gefecht gesetzt …

Superspannend ist es, wenn Hotzenplotz bei seinem Freund, dem großen und bösen Zauberer Petrosilius Zwackelmann, auftaucht. Marianne Hofmann ist in Kostüm und Maske kaum zu erkennen. Neben Halbglatze trägt sie Krallenfinger und Tätowierungen an den Armen, die sie/ihn zu einer Respekt einflößenden Figur werden lassen. Zum Glück sitzen am Schluss alle Mitwirkenden am Bühnenrand und verabschieden die Mädchen und Jungen mit einem Späßchen – da trauen sich selbst die Ängstlichen im Publikum ganz nah ran.

Die Person des Zauberers verliert ohnehin an Ehrfurcht, als der dumme Seppel, der alle Wörter verdreht, ihn mit »Krokodilius Wackelzahn« anspricht. Zuvor musste bereits Hotzenplotz die Varianten »Plotzenhotz« und »Klotzenkotz« zum Vergnügen des Publikums über sich ergehen lassen.

Fabelhaft ist auch die Figur der verzauberten Kröte in Szene gesetzt. Das heulende Tier im Fantasie-Kostüm mit Taucherflossen (Kultburg-Neuling Karin Zimmermann-Schmidt gelingt hier ein gutes Debüt) verwandelt sich mit Hilfe des Hahnenkamm-Feenkrauts in eine quietsch-rosafarbene Barbie-Fee mit Tüll und Schmetterlingen, Schleifen- und Rosendeko. Das passt viel besser in die heutige Zeit als eine stinklangweilige Fee im weißen Gewand.

Dass die Kaffeemühle am Ende wieder in Großmutters Händen landet und die Bösen das sprichwörtliche böse Ende finden, gehört sich natürlich zu einem schönen Kinderstück. Für manche Mädchen wurde dieser Tag vollends zu etwas Besonderem, als Fee Amaryllis ihnen zum Abschied etwas von ihrem Feenglitzer auf die Hände rieseln ließ …

Die nächsten Aufführungen

Die nächsten Vorstellungen finden am heutigen Donnerstag, am Freitag, 25. Juni, vom 28. Juni bis 2. Juli und vom 5. Juli bis 9. Juli jeweils um 10 Uhr statt, sowie am Sonntag, 26. Juni, um 11 Uhr. Karten im Vorverkauf gibt es zu 6 Euro (ermäßigt: 4 Euro) beim städtischen Verkehrsamt im Rathaus Alzenau, Tel. 06023/502-112. Für Kindergärten und Schulen gelten Sonderpreise.

Doris Huhn

Kultburg: Raben-Revue mit Witz und Esprit – MainEcho vom 11. Mai 2010

Konzert: Chor unterhält 100 Gäste im Rittersaal bestens

Alzenau Ihr drittes eigenes Musikprogramm stellten die Kultburg-Raben, der Chor des Alzenauer Theatervereins Kultburg, am Sonntagnachmittag im Rittersaal der Burg vor und bescherte mit »Man lebt so kurz und ist so lange tot« manchem der rund 100 Konzertbesucher das Highlight des Muttertages.

Der Berliner Revue widmeten die 18 Sängerinnen und Sänger unter der Leitung von Jürgen Wahl den zweistündigen Reigen aus Hits der 20er und 30er Jahre mit politischen, erotischen, lyrischen und komischen Texten. Bereits am Samstagabend war die Premiere des Programms in Hainburg über die Bühne gegangen. Trotz zurückhaltender Besucherresonanz (55 Zuhörer) war die Stimmung auch bei den hessischen Nachbarn großartig. Und beim »Heimspiel« wurde das Ganze natürlich noch einmal getoppt – und das nicht nur in Hinblick auf die Besucherzahl. 

Als Moderatorin konnte der Chor erneut einen seiner größten Fans, Marianne Hofmann, gewinnen. Selbstredend beließ es die Kultburg-Darstellerin nicht bei einer bloßen Umschreibung der Stücke. Sie bereicherte das Programm mit Kommentaren, die Chor und Publikum inspirierten, agierte in »Mein Papagei frisst keine harten Eier« als Papagei und krächzte »Jaja, die mag ich nicht!« und »Igittigitt!« in die Runde oder kommentierte kleine Hänger des Chores mit den Worten: »So kennen wir euch! So lieben wir euch!«

Zylinder und Glitzerkleider

Eine wahre Augenweide stellten die Raben samt Ober-Rabe Jürgen Wahl dar. Zeitgemäß waren die Männer in Anzug und Zylinder gekleidet, die Damen hatten mit Glitzerkleidern, Federboas, Perlenketten, Handschuhen und schicken Hütchen ganz tief in die Kleiderkisten gegriffen und sahen einfach großartig aus. Bis ins Detail stimmte hier alles: Die Noten waren in alte Zeitungsausschnitte eingelegt und zu trinken gab es Berliner Weiße.

Bereits beim ersten Stück »Robes Modes« war der Chor voll da. Mit Schwung und Zündkraft sangen sie den blitzgescheiten Text über das bunte Treiben in einem Berliner Kaufhaus im Jahr 1925, aggressiv, munter und pfiffig. Auf den Punkt gesungen überzeugte auch »Ausgerechnet Bananen«, zu dem Josephine Baker in ihrem skandalösen Bananen-Kostüm per Lichtbild in den Rittersaal geholt wurde. Das komplette Programm wurde übrigens von Pianist Jens Nimbler absolut zuverlässig begleitet.

Gastsolist Heiko Fiedler (Tenor) präsentierte sich im schwarzen Rüschenhemd mit »Schöner Gigolo, armer Gigolo«. Marion Emmert aus dem Chor sorgte hier genauso für Trommel-Begleitung wie in »Tamerlan« aus dem zweiten Teil. In »Isabella von Kastilien« mutierte Marianne Hofmann zur Titelfigur, während Heiko Fiedler das Stück mit Temperament absolvierte. Super gesungen überzeugte vom Chor das bereits erwähnte Papageien-Lied, aber auch das letzte Stück vor der Pause, »Ich hab das Fräul’n Helen baden sehn«, bei dem eine Sängerin mutig den Rock lüpfte.

Romantische Stimmung

Die gute Stimmung im Rittersaal konnte im zweiten Teil mühelos gehalten, ja sogar gesteigert werden. Im Duett verbreiteten die Solisten Waltraut Hein (Sopran) und Heiko Fiedler Romantik pur »In einer kleinen Konditorei«, das als Zugabe wiederholt wurde. Der Tenor begab sich anschließend »In die Bar zum Krokodil«, bevor er sich anschließend beklagte: »Kein Schwein ruft mich an«. Um diesem Manko abzuhelfen, lüpfte er nach dem Stück sein Hemd und offenbarte ein Schild mit »seiner« Telefonnummer: 06023/0815 …

Mit »Wochenend’ und Sonnenschein« sowie dem Oldie-Klassiker »Was machst du mit dem Knie, lieber Hans?« mit vorheriger Charleston-Kostprobe sangen sich die Kultburg-Raben mit Lust und Liebe ans Ende ihres Programms. Wenn die Sonne zu diesem Zeitpunkt nicht schon lange durch die hohen Fenster geschienen hätte, wäre sie bei »Veronika, der Lenz ist da!« sicher herausgelockt worden.

Doris Huhn

Salz in Seelenwunden – MainEcho vom 01. März 2010

Kultburg: Packende Inszenierung von Sartres Drama »Geschlossene Gesellschaft« im Michelbacher Schlösschen

Alzenau-Michelbach  Bravo-Rufe und kräftiger Applaus belohnten am Freitagabend im Michelbacher Schlösschen die neueste Inszenierung des Alzenauer Theatervereins Kultburg.

Aufgeführt wurde das Drama »Geschlossene Gesellschaft« des französischen Schriftstellers und Philosophen Jean-Paul Sartre. Unter der Regie von Christine Mareck-Brünnler zeigten Caroline Gündling, Sandra Majewski, Frank Sommer und (in einer Nebenrolle) Jens Schneider eine packende schauspielerische Leistung, die weit über Laientheaterniveau hinausging. Zwei weitere Aufführungen am Samstag- und Sonntagabend folgten.

Keine Minute ist langweilig

»110 Minuten ohne Pause« – diese Information bot ein Schild vor dem Treppenaufgang zum Saal des Schlösschens. Und selbst die Rezensentin musste bei dieser Ankündigung schlucken. Doch 110 Minuten später stand fest: Keine Minute, keine Sekunde wurde langweilig, die Handlung von Sartres sogenanntem »Höllenstück« fesselte von Beginn an, die Akteure überzeugten mit beeindruckendem Spiel und sattelfestem Text – die Souffleuse musste kein einziges Mal einspringen.

Ein echtes Paradestück gelang dem Theaterverein mit diesem Stück. Leider blieben bei der Premiere etliche Plätze frei. Lag’s am Stück oder am Termin? Wie auch immer: Die Anwesenden wurden mit einem Theatererlebnis beschenkt, das seinesgleichen sucht. In ein beklemmendes Szenario versetzt der Autor sein Publikum. Ein Diener führt nacheinander drei neue Gäste in ein mit drei Sesseln, einem Tischchen mit einer Klingel und einem Podest mit einer Statue spärlich möbliertes »Hotelzimmer«.

Nach seinem Verschwinden lässt sich die Tür nicht mehr öffnen, die Klingel klingelt nicht mehr, das Licht lässt sich nicht löschen. Es ist endgültig klar: Die reiche Estelle (Caroline Gündling), die lesbische und hochintellektuelle Inès (Sandra Majewski) und der Journalist Garcin (Frank Sommer) sind tot und definitiv in der Hölle angekommen. Doch Folterinstrumente suchen die drei umsonst, denn die Folterknechte sind sie selbst, jeder quält den anderen mit seinen Fragen, seinem Verhalten, seinen Antworten.
Jeder von ihnen hat im übertragenen oder im realen Sinn eine Leiche im Keller, jeder hat in seinem Leben Menschen psychisch und physisch gequält, jeder gibt irgendwann im Laufe des Abends zu, warum er oder sie in der Hölle gelandet ist.

Inès weiß ein bisschen mehr über die anderen und kostet das sichtlich aus. Sie bohrt und stachelt und intrigiert, streut Salz in die offenen, weit klaffenden Seelenwunden und drückt es auch noch mit dem Zeigefinger tief hinein. Doch auch sie muss leiden. Denn drei ist eine schlechte Zahl für die Hölle. Die lesbische Inès und der notorische Ehebrecher Garcin interessieren sich beide für die schöne Estelle. Eifersucht und Begierde wechseln sich auf der Bühne ab. Bis Estelle Inès rasend vor Wut mit einem Messer töten will. Doch diese lacht ihr kalt ins Gesicht: »Was tust du – ich bin doch schon tot!«

»Die Hölle, das sind die anderen« muss Garcin am Schluss entsetzt erkennen. Dem Irrsinn nahe lachen und weinen die für immer in ihrem letzten Zimmer Vereinten und in Erwartung ihres nicht mehr menschlichen Daseins. »Also – machen wir weiter«, bestimmt Garcin resigniert – und das Licht im Schlösschen verlischt.

Alles wirkt tief empfunden

Das Trio Gündling, Majewski und Sommer spielt mit nachhaltiger Wirkung. Egal, ob auf der Bühne geschrien, geweint, geliebt oder gehasst wird – alles wirkt gelebt und in diesem Moment tief empfunden. Selbst die Nähe zum Publikum hemmt die Akteure nicht, einen wahren Seelen-Striptease hinzulegen. Wer am kommenden Wochenende Zeit hat, sollte sich das Stück mit dem Prädikat »Besonders wertvoll« auf keinen Fall entgehen lassen!

Doris Huhn

“Ihr wärt gute Nazis geworden…” – MainEcho vom 05. Oktober 2009

Theater Kultburg-Ensemble führt Faschismus-Stück “Die Welle” in beklemmender Realität auf – Fünfmal ausverkauft

Alzenau In beklemmender Realität führte das Ensemble des Theatervereins Kultburg am Freitag im vollbesetzten Rittersaal der Burg die Premiere des preisgekrönten Stücks “Die Welle” von Reinhold Tritt auf. Eingeschworen von den Regisseurinnen Uschi Jebe und Gertrud Englert-Schauer zeigte die zwölfköpfige Truppe eine Riesenleistung, die fesselte und packte.

“Wie hypnotisiert” folgen die Schüler – dargestellt vom Ensemble des Alzenauer Theatervereins Kultburg – den Ideologien ihres Lehrers im preisgekrönten Stück “Die Welle”, das die Verführbarkeit durch den Faschismus thematisiert und am Freitagabend im Rittersaal eine umjubelte Premiere feierte. Nach dem Ende der ohne Pause durchgespielten gut 90-minütigen Vorstellung wurden die Kultburgler mit Beifall überschüttet. Eine anwesende Klasse ließ eine La-Ola-Welle durch den Saal schwappen – eine zum Glück völlig ungefährliche Welle, die im krassen Gegensatz zu der im Stück thematisierten steht.

 

Das Stück, wie auch das Jugendbuch von Morten Rhues, basiert auf einer wahren Begebenheit. Der für seine unkonventionellen Methoden bekannte Lehrer Ron Jones versucht 1967 an einer Highschool in Kalifornien, Schülern beim Thema “Drittes Reich” mit einem Experiment zu vermitteln, wie leicht Menschen den Verlockungen des Faschismus unterliegen und in Fanatiker verwandelt werden können.

“Niemand folgt blind solchen Befehlen”, ist sich die Klasse von Ben Ross sicher. Gerade haben die Schüler einen Holocaust-Film angesehen. Bei den grausamen Aufnahmen wenden sich immer mehr Schüler ab, unerträglich ist das Leid auf der Leinwand.

Eigentlich sind die Schüler von Ross ganz normal, sie träumen vom Studium, von Erfolgen in Football oder bei anderen Hobbys. Und gleich nach dem Pausenklingeln ist das Gesehene weggewischt. Nur Laurie kann die Bilder nicht vergessen, während ihre Mitschüler sich witzig vorkommen, als sie den Hitlergruß nachahmen.

Monster geschaffen

In einem Experiment versucht Ross eine ähnliche Situation wie damals zu schaffen und ist überrascht, wie schnell seine Schüler bereit sind, darauf einzugehen. “Du meinst, sie fühlen sich wohl unter Druck?”, fragt seine Frau ungläubig und konfrontiert ihren Mann im Laufe des unheimlichen Experiments mit unbequemen Wahrheiten: “Du hast wirklich kleine Monster geschaffen!” Nach und nach setzt sich die faschistische Maschinerie in Gang. Vor allem der Außenseiter Robert hat endlich eine Aufgabe gefunden, in der er aufblüht. Zum Namen der Gruppe “Die Welle” wird ein Begrüßungsritual gewählt, das fatal an den Hitlergruß erinnert. Armbinden und Mitgliedsausweise folgen, Andersdenkende werden ausgegrenzt oder verprügelt. Die gefährliche Welle ist ins Rollen gekommen…

“Ihr wärt gute Nazis geworden, ihr hättet brav die Uniform angezogen”, hält Ross den Schülern am Ende vor, als er “Die Welle” platzen lässt. “Faschismus, das ist kein Problem, das die anderen haben, es steckt in jedem von uns drin”, wird der Lehrer noch deutlicher.

Das Kultburg-Ensemble überzeugt nicht nur durch zügiges Spieltempo und Textsicherheit, sondern auch durch beeindruckende Bühnenpräsenz. Nur eine Handbreit sind die Schauspieler oft vom Publikum entfernt, und so ist man mitten drin beim Fanatisieren der Schüler, beim Streiten, beim Diskutieren.

Und das ist auch gut so, denn so geht das Thema noch tiefer unter die Haut, hört die Grundproblematik nicht vor der Bühne auf, sondern man spürt, wie sehr in jedem von uns die Gefahr lauert. Körpersprache, Mimik und Gestik der dargestellten Figuren hat jeder Einzelne des Ensembles verinnerlicht. Groß inszenierte Szenen wie der Einmarsch mit Fackeln in den Rittersaal lassen den Puls der Zuschauer beim Finale noch höher schlagen.

Keine Frage: “Die Welle” ist eine der besten Inszenierungen, die der Alzenauer Theaterverein erarbeitet hat. Auch die beiden Zusatzvorstellungen am heutigen Montag (davon eine in der Karl-Amberg-Hauptschule) wie die zwei weiteren Aufführungen am Wochenende sind restlos ausverkauft. Es bleibt zu hoffen, dass dieses wertvolle Stück bald wiederholt wird.

Doris Huhn