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Szenen einer Ehe – MainEcho vom 12.03.2016

Theater: Kultburg-Stück “Alte Liebe” geht auf Tuchfühlung mit einem sich liebenden und nervenden Paar.
Alzenau Samstag, 12.03.2016
Glänzende Premiere konnte am Donnerstagabend im voll besetzten Zimmertheater des Alzenauer Vereins kultBurG die neueste Inszenierung »Alte Liebe« feiern.
Das Zwei-Personen-Stück mit Barbara Vogel-Hohm und Klaus Kolb (Regie: Inge Mayer) basiert auf dem 2009 veröffentlichten Roman von Elke Heidenreich und Bernd Schroeder und wurde in einer Theaterfassung von Markus Steinwender gezeigt.
 

Höhen und Tiefen

Der intime Rahmen des vereinseigenen Theaters ist wie geschaffen für das Stück, das Höhen und Tiefen eines seit 35 Jahren verheirateten Ehepaares zeigt. Fast auf Tuchfühlung mit der ersten Reihe agieren Barbara Vogel-Hohm und Klaus Kolb ganz großartig. Neben der Bewältigung einer Riesenmenge Text schaffen es die beiden, das Publikum ohne Schamgefühl an ihren privatesten Gefühlen teilhaben zu lassen.
Die Bibliotheksangestellte Lore und der seit einem Jahr in Rente befindliche Harry sind so unterschiedlich wie ihre Kleidung. Gartenliebhaber Harry trägt eine lässig-bequeme Hose mit Hosenträgern, Gummischuhe und einen Strohhut. Lore steckt dagegen in einer korrekten Stoffhose in Schwarz mit Bluse und ordentlichen Schnürschuhen.

»Früher war mehr Freude«
Dabei scheint Harry eindeutig der zufriedenere der beiden zu sein, wenn ihn nicht gerade seine Ehefrau mit Provokationen und Zickereien nervt. »Du liest nicht, du interessierst dich nicht, du verblödest!«, wirft sie ihm in einem ihrer Streit-Momente vor, nach denen sich Harry gerne mit einer Bierflasche in seinen geliebten Garten verzieht. Lore geht sich mit ihrem Perfektionismus und ihrem Zwang, Harry zu »erziehen«, oft selbst auf die Nerven.

»Ich möchte ein anderes Leben!«, wünscht sie sich trotzig und fragt sich, ob ihr Gemütszustand »die berühmte blöde Sinnkrise« ist oder einfach das Alter mit all seinen Verlusten von »Haaren, Zähnen, Schönheit, Leidenschaft, Libido und Freunden«. »Früher war einfach mehr Freude!«, ist sich Lore sicher.
Regisseurin Inge Mayer hat ihre Darsteller darauf eingeschworen, das sich liebende und manchmal nervende Paar vollkommen überzeugend darzustellen. Eventuelle – natürlich rein zufällige – Parallelen zu Ehen im Familien- oder im Freundes-Umfeld konnten sicher alle Zuschauer schmunzelnd erkennen.

Über die trocken-humorigen Antworten von Harry konnte zwar nicht Lore, aber zum Glück das Publikum lachen. Die inklusive Pause zweistündige Aufführung punktet durch Authentizität und starke Dialoge und Monologe. Dabei fesselt die Beziehung zweier Menschen, die sich nach 35 Jahren unsagbar vertraut sind, sich dadurch aber auch unsagbar verletzen können, ungemein.

Alle fünf weiteren Vorstellungen sind ausverkauft. Über eine Wiederaufnahme im Spätherbst wird nachgedacht.