Beziehungskisten und Frühstücksfarce – MainEcho vom 26. November 2012

Kultburg: Neue Produktion des Alzenauer Theatervereins begeistert an zwei Abenden mit je 16 Szenen im Kolbe-Haus

Alzenau  »Szenenwechsel« präsentierten am Freitagabend – und noch mal am Samstag – im ausverkauften Maximilian-Kolbe-Haus 28 Mitglieder des Alzenauer Theatervereins Kultburg unter der Leitung von sieben Regisseuren, die auch auf der Bühne standen.

Das Sammelsurium kleiner, aber feiner Geschichten, insgesamt 16 Stück, das in gut zweieinhalb Stunden in bewährter Spiellaune zur Aufführung kam, wurde vom Publikum mit kräftigem Applaus belohnt. Zu jeder Szene wechselten die Requisiten, die meistens einen Tisch beinhalteten. Maske und Kostüme wurden stimmig in die Handlung einbezogen. Vom ganz kurzen gespielten Witz (»Büroschlaf«) bis zu längeren Szenen reichte die Bandbreite. Dabei waren die Stücke mal urkomisch, mal bitterböse. Nur der Wandel war konstant.

Bitterböse Dialoge

Besondere Beachtung verdiente der Einakter »Frühstück – eine Farce«, der als deutsche Erstaufführung rangierte. Unter der Regie von Josef Pömmerl entwickelte sich am Frühstückstisch des seit 30 Jahren verheirateten Ehepaares (Georg Heres und Carmen Reichenbach) ein bitterböser Dialog um den Selbstmord des Pastors, der sich erhängt hat (»Trautes Heim, Glück allein, soll niemand drin hängen als ich allein«). Als die trauernde Haushälterin des Pastors erscheint, gerät das Gespräch teilweise tatsächlich zur Farce. Sehr gut pendeln die Akteure die Szene aus, lassen das Publikum dabei lachen, aber auch darin inne halten.

Begonnen hatte der famose Theaterabend mit »Dinner for One – auf frankfurterisch«, bei dem der Butler von Fräulein Sophie folgerichtig mit steigendem Alkoholpegel über den (Plüsch)-Elch auf dem Boden stolpert. Nachdenklich machte der Beitrag mit dem Thema »Gesundheitsreform«, den eine Besucherin kommentierte: »So wird’s vielleicht mal kommen!« Die Patientin fällt darin nämlich von einem Schreck in den nächsten: Sie soll sich nämlich selbst den Blinddarm operieren – im Zuge der Gesundheitsreform Stufe Acht. Hilfsmittel liegen mit der Broschüre »Wie betäube ich mich örtlich?« natürlich netterweise parat.

»Sound Unlimited« mit dabei

Wer sich schon bei ihrem Schlösschen-Auftritt gemeinsam mit dem Chor »Sound Unlimited« köstlich amüsiert hatte, durfte das an diesem Abend noch einmal nach Herzenslust tun: Die Schwestern Marianne Hofmann und Anni Christ-Dahm hatten ihre zwei von Christ-Dahm selbst geschriebenen Szenen »Beziehungskisten 1 und 2« noch einmal fein geschliffen und kamen damit hervorragend beim Publikum an. Dass Kommunikation schwierig sein kann, war Thema gleich mehrerer Szenen: Ob bei der »Völkerverständigung«, den Wortfindungsstörungen bei »Kosolovskis Kinder«, die mit dem Mord des Ehemanns endeten oder in »Das Gespräch«, bei dem sich ein Paar einen erbitterten Psycho-Machtkampf lieferte – klasse schlüpften die Kultburgler in die einzelnen Rollen und erfüllten sie mit Leben.

Geisterfahrer und starker Auftritt

Fast ein bisschen unheimlich mutete das Stück »Geisterfahrer« an. Sechs Paare sitzen auf der dunklen Bühne und werden jeweils mit einem Lichtspot beleuchtet, wenn sie an der Reihe sind. Was da alles hinter dem Lenkrad besprochen wird, reicht von belanglosem Ehepaar-Geplänkel bis hin zum Psycho-Thriller mit knallhartem Finale. Im Finale der »Szenenwechsel« stand ein »Einmaliger Auftritt« an, den Regisseurin Inge Mayer ankündigte. Alle Beteiligten des Abends kamen in blaue Müllsäcke gewandet als Schwarzmeer-Kosaken auf die Bühne und zeigten tatsächlich – ein einziges Aufstampfen mit den Füßen, also einen echten »einmaligen Auftritt«. Die witzige Schlussszene war einen Extra-Lacher wert. Bleibt zu hoffen, dass die Kultburg auch im nächsten Jahr so frisch, frech und überraschend Theater spielt – im Alzenauer Maximilian-Kolbe-Haus und auch anderswo.

Doris Huhn