Lysistrate – MainEcho vom 21. Juni 2003

»Das Wohl und Weh Griechenlands liegt in unserer Hand«

Premiere bei den zweiten Alzenauer Burgfestspielen: Der Theatervertein »kultBurG« begeisterte mit »Lysistrata«

Alzenau. Es blieb trocken. Das war zunächst einmal die wichtigste Meldung anlässlich der Premiere von »Lysistrata« bei den zweiten Alzenauer Burgfestspiele am Mittwochabend im voll besetzten unteren Burghof. Nach den Klängen der »Burgfanfare« bemerkte Bürgermeister Walter Scharwies: »Solche Burgfestspiele können nur entstehen, wenn viele helfende Hände zusammenwirken.« Sein Dank galt unter anderem dem Theaterverein »kultBurG« und der Regisseurin des Stücks, Ursula Jebe. »Wir dürfen griechisches Ambiente im unteren Burghof genießen«, fuhr der Rathauschef fort, »und das vor der Kulisse des königlich-bayerischen Amtsgerichts«.

 

Die von Scharwies angesprochenen »hellenischen Gefühle«, die bereits das mit großen, bauchigen Amphoren bestückte Bühnenbild bei den Gästen weckte, waren dabei sehr wohl »im Spannungsfeld mit germanischem Wetter«, doch angesichts der vergnüglichen Handlung des erfrischenden Sommertheaters waren die besorgten Blicke zum Himmel vergessen und dem Spaß am Zuschauen keine Grenzen mehr gesetzt.

Zeitlos-humorvolle Handlung

Das mehr als 2000 Jahre alte Stück »Lysistrata« von Aristophanes ist nicht nur eine der erfolgreichsten antiken Komödien überhaupt, sondern besitzt darüber hinaus eine zeitlos-humorvolle Handlung, die vor dem Hintergrund zahlreicher Kriege in der ganzen Welt so aktuell ist wie selten zuvor.

Akustisches Schlachtgetümmel zeugte davon, dass die Herren der Schöpfung auf den Kriegsfeldern um Ruhm, Ehre und so manches Zipfelchen Land kämpften. Selbst die goldgewandete Göttin (Regina Kilchenstein in mehreren schönen Tanz-Choreographien) führt eine Lanze mit sich. Doch die griechische Damenwelt beschließt, dass nun damit Schluss ist. Die resolute, emanzipierte und willensstarke Lysistrata (Marianne Hofmann war diese Rolle quasi auf den Leib geschrieben) versammelt ihre Geschlechtsgenossinnen aus dem gesamten Land um sich, um ihren Plan mitzuteilen, denn »das Wohl und Weh ganz Griechenlands liegt in unserer Hand«.

Doch als Kalonike (Gabriele Wittemann), Myrrhine (Anni Christ-Dahm), Eirinie (Maria Fleschhut), Lampito (Rita Mengele als Spartanerin herrlich schwäbelnd), eine Korintherin (Barbara Vogel-Hohm, von der auch die wunderschönen Kostüme stammten) sowie eine Thebanerin (Stefka Huelsz-Träger) hörten, dass das Mittel zum Zweck Liebesentzug ist, winken die Damen unisono ab. »Lass uns die Liebe«, betteln sie zunächst im Chor, doch am Ende erkennen sie: »Was sein muss, muss sein!«

Im Folgenden versorgt sie Lysistrata mit Verhaltensmaßregeln in allen Situationen (»Und wenn sie uns schlagen?« »Gib nach, doch mach’s ihnen schlecht!«). Den Eid schwören die entschlossenen Damen nicht nach Art der Männer auf Opferblut, sondern auf eine schmackhafte Amphore Samoswein.

Groß ist die Empörung bei den Männern, als sie bemerken müssen, dass sie »von Weibern ausgesperrt« wurden, sie also nicht nur den Beischlaf verweigern, sondern auch nach dem Verbarrikadieren in der Akropolis die Staatskasse unter ihren Fittichen haben. Die Chormänner (Egon Pichl, Andreas Eul und Roland Kilchenstein) setzen darauf, mit ihrem Führer (große Klasse: Manfred Jung) die Akropolis an mehreren Stellen »in Brand«. Doch sie haben nicht mit der Chorführerin (überzeugend: Inge Mayer) und ihren Damen (Heike Bösebeck, Britta Olbrich und Carmen Reichenbach) gerechnet. Die Herren müssen als buchstäblich begossene Pudel abziehen.

Die nächste Konfrontation folgt auf dem Fuß: Ratsherr (Klaus Kolb), der sich beziehungsreich als geschäftsleitender Beamter der Stadt Athen, Mathias Simonis, vorstellt, versucht zu vermitteln, doch die Frauen wissen sich auch verbal zu wehren und setzen Aggressivität gegen Aggressivität (»sieh lieber zu, dass deine Mutter dich noch kennt, wenn du heim kommst«).

Der Höhepunkt des Streites gipfelt in einem gemeinsamen Angriff der Frauen auf die Männer: Mit mächtigen Kneifzangen schnappen sie nach den empfindlichsten Teilen der Herren und schlagen sie in die Flucht. Doch der beste Plan nützt nichts, wenn die Ausführenden nicht durchhalten. Das muss Lysistrata leidvoll erfahren. »Es männert uns«, ruft sie entsetzt aus. Die eine Dame täuscht vor, dass sie in der Burg nicht mehr schlafen kann, seit sie die Tempelschlange gesehen hat, die andere ist gleich gewaltig schwanger und will daheim niederkommen, obwohl sie gestern noch keine mächtige Wölbung unter dem Gewand hatte.

Bestes Beispiel für eine standhafte Damen ist Myrrhine, die ihren Mann Kinesios (sehr gut: Johannes Lorentzen) in einer herrlichen Szene zunächst scheinbar willig empfängt, dann aber nach diversen Verzögerungstaktiken barsch abweist. »Jedes Glied fühlt arbeitslos sich«, heißt es nun auf Seite der leidenden Männer.

Auch in anderen Orten ist die Lage zum Verzweifeln. »In Sparta steht alles aufrecht«, verkündet eine durch mächtige Wölbungen unter ihren Gewändern gezeichnete Delegation (Robert Schön, Dieter Gabler und Andreas Burkl) mit Herold (hessisch babbelnd: Josef Pömmerl). Ob sich der Krieg der Geschlechter schließlich noch löst und endlich Frieden einkehrt, wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten.

Rundum gelungene Inszenierung

Eine stimmige Kulisse, schöne Kostüme, eine spielfreudige Truppe und witzige Dialoge sorgen auch in diesem Jahr für eine gelungene Inszenierung, die alterslosen Theaterspaß gewährleistet. Dass hier Laientheater geboten wird, muss man tatsächlich dazu sagen, denn immer besser wächst die kultBurG-Gruppe zusammen, immer lockerer gelingt der Auftritt vor großem Publikum. Regisseurin Ursula Jebe hat mit der Auswahl des Stückes nicht nur Gespür für das Machbare bewiesen, sondern auch die Möglichkeiten der schönen Open-Air-Kulisse voll ausgeschöpft. Als Belohnung gab es vom Sponsor der Burgfestspiele, der Sparkasse Aschaffenburg-Alzenau, für jeden eine Flasche Wein.

Doris Huhn