123 – MainEcho vom 5. Juli 2004

Überzeugter Kommunist wird Kapitalist

Premiere der Alzenauer Burgfestspiele: »kultBurG« präsentierte in glänzender Spiellaune urkomisches Stück

Alzenau. Schäfchenwolken segelten am Freitagabend am blauem Himmel über die Burg Alzenau. Und das hatte die urkomische Premiere von »Eins, zwei, drei« auch verdient. In glänzender Spiellaune präsentierten 27 Mitglieder des Theatervereins »kultBurG« drei Stunden lang das Hauptstück der alljährlichen Alzenauer Burgfestspiele von Fritz Molnár in der Fassung von Billy Wilder, die Regisseur Josef Pömmerl noch einmal aufpoliert hatte. Am Ende eines langen und wunderschönen Abends zeigte der donnernde Applaus im voll besetzten unteren Burghof, dass der Verein auch heuer die Erwartungen, die mittlerweile bei jeder Premiere ein wenig höher gespannt werden, voll und ganz erfüllt hat.

 

In das geteilte Berlin der sechziger Jahre entführt die spritzige Ost-West-Komödie: Mit der leidenschaftlich geschmetterten »Internationale« zog der Chor der Theatergruppe, unterstützt vom Kälberauer Kirchenchor, unter Leitung von Jürgen Wahl aus Kahl mit wehenden Fahnen in den unteren Burghof ein und brachte im Laufe des Abends mit Liedern von »Bei mir biste scheen« bis »Ausgerechnet Bananen« musikalischen Schwung in die Inszenierung.

Mister McNamarra, Leiter der Coca-Cola-Filiale in West-Berlin, liebt sein Vaterland. Zu jeder vollen Stunde, wenn die Kuckucksuhr schlägt, verharrt er mit der Hand auf dem Herzen und wartet darauf, bis sich das Türchen öffnet und ein Mini-Uncle-Sam mit amerikanischen Fahnen zu beiden Seiten erscheint. Klaus Kolb spielt diese Rolle mit Leib und Seele, bewältigt eine Menge Text mühelos und reißt sowohl das Publikum als auch seine Kollegen mit.

Auch Matthias Wissel in der Rolle des immer noch Haken schlagenden Sekretärs Schlemmer überzeugt durch unbändige Spiellaune. McNamarras blonde Sekretärin Ingeborg setzt Anja Munder mit wohl dosiertem Charme und Sexappeal in Szene. Wie auf den Leib geschneidert, scheint die Rolle des 17-jährigen amerikanischen Millionärstöchterchens Scarlett für Anna Iaquinta. Immer auf der Suche nach Spaß dreht sie als Verliebte und dem Titel gemäß »Eins, zwei, drei« verheiratete Gattin zu Höchstleistungen auf. Jens Schneider verkörpert den jungen wütenden Kommunisten Otto Piffl, Scarletts Objekt der Begierde, mit unbändiger Energie und spuckendem Einsatz. Zwar scheint die Wandlung des »jungen Wilden« am Ende ein wenig unwahrscheinlich, doch so erlebt das Publikum ein ungetrübtes Happy End.

Auf witzige Weise wird in der rund 80 Jahre alten Story, die Billy Wilder für seine Filmfassung in den sechziger Jahren in das geteilte Berlin verlegte, deutsche Geschichte aufgearbeitet. Da redet McNamarras Frau Phyllis (gut: Maria Fleschhut) ihren Mann mit »Mein Führer« an, da müssen sich einige Akteure böse zurückhalten, um nicht mit ausgestrecktem Arm zu grüßen. Und Schlemmer, der behauptet hat, während des Kriegs in der U-Bahn gearbeitet zu haben, muss dann doch zugeben, dass es wohl die SS-Bahn war.

Einige der komischsten Szenen steuert die Russendelegation bei: Egon Pichl, Christian Pohl und die unvergleichliche Marianne Hofmann, die auch in einer Szene ohne Worte die Aufmerksamkeit am Bühnenrand auf sich zog, sorgten als Genossen, die dem Wodka und den Frauen nicht abgeneigt sind, für Heiterkeit.

McNamarras Organisationstalent wird überstrapaziert, als er erfährt, dass sich die ihm anvertraute Scarlett, Tochter seines Chefs, seit Wochen mit einem Kommunisten trifft. Auf seine Frage, was die beiden denn nachts so machen, antwortet Scarlett unschuldig: »Ich wasche seine Hemden, und er erweitert meinen Horizont.« »Du bist aber nicht schon wieder verlobt, oder?«, fragt McNamarra sicherheitshalber nach und atmet erleichtert aus bei ihrem »Nein«, dem sie aber ein strahlendes »Verheiratet!« hinzufügt.

Auch über die mit Hammer und Sichel versehenen Eheringe (»aus dem ehrlichen Stahl einer Kanone aus Stalingrad«) kann er sich nicht wirklich freuen, zumal Scarlett Parolen skandiert wie »Afrika den Afrikanern, Afri Cola für alle«. Einen heftigen Schlagabtausch liefert sich McNamarra mit dem kurz darauf auftauchenden Kommunisten Otto, der seine Verachtung über den ausbeuterischen kapitalistischen Westen in vielfältiger Weise Ausdruck verleiht. Bemerkungen wie »Wir begraben Westeuropa!« pariert der Amerikaner allerdings nur mit einem trockenen: »Ja, begrabt uns, aber heiratet uns nicht!

«Szenenweise verschwammen die Grenzen zwischen Laien- und Profitheater bei der Aufführung wegen der hervorragenden Leistungen der eingespielten Truppe. Wer sehen möchte, wie ein Flugzeug im Burghof landet, wissen will, warum eine Ärztin im nachtblauen Walküren-Kostüm zur Visite erscheint, warum das Publikum das Aufstehen üben muss, und wie man »Eins, zwei, drei« aus einem überzeugten Kommunisten einen respektablen Kapitalisten machen kann oder wer sich einfach einmal einen Abend lang herrlich unterhalten möchte – der sollte sich schnellstens um Eintrittskarten bemühen. Doris Huhn Die nächsten Vorstellungen sind am Freitag, 9., und Samstag, 10. Juli, sowie am Freitag, 16., und Samstag, 17. Juli, jeweils um 20 Uhr. Weitere Infos und Kartenverkauf: städtisches Verkehrsamt im Rathaus, 06023/502-112.